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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Wasser zu tun hatte, hatte ich für die nächsten paar hundert Jahre die Nase voll. Ich sehnte mich nur noch danach endlich nach London – und zu Priscylla – zurückzukehren. Zusammen mit Sill trat ich durch das Tor.
    Als wir es wieder verließen, spannte sich über uns der wolkenbedeckte Himmel der Welt, die ich kannte.
    Und es regnete in Strömen!
     
    Das Tor hatte mich nach Hamburg verschlagen, wie ich recht bald herausfand. Der Aufbruch nach Arabien war so plötzlich gekommen, dass ich weder Papiere noch Kreditbriefe oder gar Geld hatte einstecken können. Ich war sozusagen arm wie eine Kirchenmaus.
    Natürlich hätte ich mich an die britische Botschaft wenden können und über kurz oder lang wäre meine Identität mit Sicherheit auch bestätigt worden, doch hätte sich dies über Tage, wenn nicht gar Wochen hinziehen können. Zeit, die ich nicht hatte.
    Schweren Herzens verscheuerte ich das Büchlein, das ich bei Arne Sacknussem gefunden hatte, bei einem Trödler. Es repräsentierte immerhin einen antiken Wert, genauer gesagt einen Wert, der ausreichen würde, eine Schiffspassage nach England für Sill und mich zu kaufen. Als ich das Antiquariat verließ, wäre ich fast mit einem unglaublich dürren, hochaufgeschossenen Mann zusammengeprallt.
    »Guten Tag, Professor Lidenbrock. Welch ein Zufall, dass Sie gerade jetzt kommen, denn ich habe da gerade etwas erhalten, dass Sie gewiss interessieren wird«, vernahm ich noch die Stimme des Trödlers, bevor sich die Tür hinter mir schloss.
    Ich fand recht bald ein Schiff, das Kurs auf England nahm und obwohl sich die Jessica Thys als der reinste Seelenverkäufer erwies, erreichten wir die Insel unversehrt nach wenigen Tagen.
    Nach einer fast dreieinhalbmonatigen Odyssee setzte ich am neunten Dezember achtzehnhundertsechsundachtzig zum ersten Mal wieder einen Fuß auf Londoner Boden. Erst hier fragte ich mich erstmals, wie eigentlich Priscylla auf die Ankunft Sills reagieren würde.
    Hätte ich die Antwort auch nur in Ansätzen geahnt, wäre ich wahrscheinlich auf der Stelle in den Kanal gesprungen, um nach Arabien zurückzuschwimmen …

 

     
     
    Es war eine Welt aus Nebel und Licht. Ein Land ohne Form, ohne Farben, ohne feste Körper.
    Die gleißenden Kugeln aus purer Energie, die über der Nebelwelt hingen, sanken langsam tiefer, formierten sich zu einem Kreis, in dem eine weitere Kugel schwebte, kleiner und schwächer als die übrigen. Sekundenlang verharrten die Geistgebilde in schweigender, fast andächtiger Ruhe.
    Dann ertönte eine Stimme: »Im Namen des einen Herren!«
    Das Licht erlosch.
    Die Zeremonie begann.
    »Der Garten der Beratung«, sprach die Stimme und aus den grauen Nebelschwaden schälten sich erste Konturen: schlanke, hohe Bäume, die sich in leichter Brise wiegten, und saftiges Gras unter einem sternenklaren nächtlichen Himmel.
    »Der Brunnen der Wahrheit«, fuhr die Stimme fort, und wieder wallte Nebel auf, zog sich zusammen und verlieh einem kleinen Pavillon Gestalt, zwischen dessen Säulen sich ein leise murmelndes Rinnsal über goldene Kaskaden in ein kreisrundes Becken ergoss.
    »Es ist alles bereit«, sagte die Stimme. »So nehmt Gestalt an, Schwestern.«
    Die gleißenden Kugeln sanken nieder auf das Gras und wuchsen wieder empor zu schlanken Körpern wie aus Alabaster, gehüllt in Gewänder aus Licht und Schatten. Allein der Geist in ihrer Mitte wählte eine andere Gestalt, denn über ihn sollte im Garten der Beratung der Schuldspruch gefällt werden. In seiner Haltung jedoch war nichts, was Schuld erkennen ließ. Aufrecht und stolz stand die junge Frau inmitten ihrer Schwestern, die Hände trotzig, fast provozierend in die Hüften gestemmt, den Kopf hoch erhoben.
    Doch sie wusste nur zu gut, dass sie die anderen nicht täuschen konnte. Sie alle wussten, wie es in ihrer Seele aussah, dass sie nur mit Mühe die Fassade der Gleichgültigkeit bewahren konnte.
    Sie war tot, gestorben unter der grausamen Hand eines sadistischen Magier; und wenn eine El-o-hym auch nicht wirklich sterben konnte, so hatte sie doch ihren Körper verloren; neben der Seele das höchste und heiligste Gut, das ihr von IHM gegeben war.
    In ihren Augen flackerte Furcht, als sie die Blicke der Schwestern erwiderte. Doch auch sie musste sich an das Zeremoniell halten, wollte sie nicht die letzten Sympathien leichtfertig verspielen, die ihr verblieben waren. Ihre Stimme zitterte unmerklich, als sie die Frage stellte: »Wer ist als Vorsprecherin bestimmt, um über

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