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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mich zu richten?«
    Eine der bleichen Schwestern trat vor und senkte ihr Haupt vor den anderen. »Ich bin bestimmt nach SEINEM Willen. So vereint eure Geister und seht.«
    Die Schwestern öffneten den Kreis und wandten sich dem Brunnen zu. Die Vorsteherin neigte sich über die Schale kristallklaren Wassers und legte die sechs Finger ihrer rechten Hand darauf. Das goldene Becken begann zu glühen. Feurige Funken tanzten über das Wasser. Und mit ihnen kamen die Bilder …
    Eine finstere Burg inmitten einer hitzeflirrenden Wüste, von steinernen Drachen bewacht. Ein Verließ, tief unten in den Gewölben der Festung. Eine Gestalt am Boden – helles, zartes Fleisch in blutbefleckten Ketten; zerbrochene Flügel, ihrer Federpracht beraubt. Ein im Todeskampf verzerrtes Gesicht unter silbern-goldenem Haar.
    »Dein Tod, Uriel«, klang die Stimme der Vorsprecherin auf. »Der Brunnen der Wahrheit kann nicht irren. Du bist nun wahrlich zu dem geworden, was du unter den Menschen warst – ein Schatten. Und Shadow soll von nun an auch unter deinesgleichen dein Name sein, bis du geläutert bist vom Herrn.«
    »Nein!« Shadow war vorgetreten und fuhr mit ihrer Hand über das Wasser. Das Bild verschwamm. »Nur mein himmlischer Körper ist gestorben. Ich selbst lebe. Und ich habe meine Mission noch nicht erfüllt!«
    Ein erschrockenes Raunen ging durch den Kreis. Die Wirkung ihrer Worte war so groß, dass viele der Schwestern das Gebot vergaßen, sich nur auf gedanklicher Ebene mit den anderen Ratsmitgliedern zu verständigen. Geflüsterte Worte von Ungehorsam und Blasphemie schwangen wie unheilvolle Schatten durch die Nacht. Die Vorsprecherin hob rasch beide Hände und brachte den Kreis augenblicklich zum Verstummen. Lange Zeit stand sie reglos da, sichtlich um Fassung bemüht, bevor sie sich wieder an die menschliche Frau in ihrer Mitte wandte.
    »Du weißt, dass du dich fügen musst«, sagte sie fast flehend. »Die Gesetze -«
    »Die Gesetze irren«, unterbrach Shadow sie. Wieder klang entsetztes Gemurmel auf und zwei der Schwestern mussten sich einer Ohnmacht nahe auf ihre Gefährtinnen stützen. »Kann es Blasphemie sein, das Böse von der Pforte des Paradieses abzuwenden?«, fuhr Shadow rasch fort, noch ehe die Vorsprecherin sich wieder gefangen hatte. »Ich sage euch, Schwestern, die Dunkle Macht steht dicht vor ihrem Sieg, wenn wir ihr nicht Einhalt gebieten. Ahnt ihr denn nicht die Macht der SIEBEN SIEGEL? Wisst ihr nicht, dass die GROSSEN ALTEN ihre Kerker verlassen werden, wenn die SIEGEL zusammengefügt werden?«
    »Das wird nie geschehen«, erklärte die Vorsprecherin mit einer Stimme, die keinen Widerspruch zuließ. »In den Chroniken steht nichts über -«
    »Aber so begreift doch!«, fuhr Shadow abermals auf. »In den Chroniken kann nichts darüber stehen, weil die SIEGEL nicht hier geformt wurden, nicht im Machtbereich unseres Herrn. Sie wurden geschaffen von den ÄLTEREN GÖTTERN -«
    Ein Schrei ging durch die Reihen der El-o-hym. Einige von ihnen taumelten blind zurück, andere verloren ihren Körper und wurden wieder zu Kugeln aus reiner Energie. Nur die Vorsprecherin blieb unbewegt, doch in ihren Augen blitzte ein gefährliches Feuer. Langsam ging sie auf Shadow zu, die Hände unter den weiten Ärmeln ihres Gewandes zu Fäusten geballt und ein leises Gebet murmelnd, als hätten Shadows Worte sie beschmutzt.
    Sie blieb dicht vor ihr stehen und sah sie lange und eindringlich an. Und als sich ihre Lippen endlich wieder öffneten, hörte nicht nur Shadow, dass ihre Stimme rau war und zitterte.
    »Ich habe es geahnt und sehe es nun bestätigt«, sagte die Vorsprecherin. »Du bist schon zu sehr Mensch geworden um noch eine der unseren zu sein, Shadow. Du hast dir Wissen angeeignet, das uns verboten ist. Du bist einen Pakt mit einem jener Wesen eingegangen, gegen die du einen eigenmächtigen Kampf führst. Du hast sogar das Gesetz der Keuschheit gebrochen, um dich mit einem Menschen zu vereinen. Du bist zu weit gegangen auf deiner Mission und du hast die wahren Ziele vergessen.«
    Sie hielt inne und atmete tief ein. Ihre nächsten Worte, das spürte Shadow mit jeder Faser ihres Geistes, würde der letzte rettende Strohhalm sein, an den sie sich klammern konnte.
    »Es gibt nur eine Rettung für deine Seele, Shadow. Wende dich ab von deiner bisherigen Existenz. Trete die Reise an in SEINE Gefilde und beginne ein neues Sein. Du weißt, dass ER vergibt, dass ER dir einen neuen Körper und einen neuen, gesunden Geist geben

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