Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I
zu. Aber trotzdem beharrten Cohen und ich mit Nachdruck darauf, zumindest diese eine Nacht hier zu verbringen. Ich bedankte mich für McGillycaddys Sorge, erklärte ihm aber, dass wir beide es durchaus gewohnt seien, uns zu bescheiden, und auch mit einem einfachen Quartier vorlieb nehmen würden.
Da kannte ich Cordwailers »Hotel« noch nicht …
Brandersgate war mit seinen knapp dreihundert Einwohnern nicht groß genug, als dass sich ein Hotel oder auch nur ein Gasthaus rentieren würden, und so begleitete uns der Constabler zurück zu dem kleinen Kolonialwarenladen gegenüber des Bahnhofes, in dem sich Cohen vorhin nach dem Weg erkundigt hatte. Cohens Gesichtsausdruck verdüsterte sich, als ihm klar wurde, wo unser Ziel lag, aber er sagte nichts und ich erfuhr auch später nie, was in jenen wenigen Minuten zwischen ihm und Cordwailer vorgefallen war. Allerdings gehörte auch nicht sehr viel dazu, den Unmut Wilbur Cohens zu erregen. Manchmal reichte es schon, im falschen Moment einfach da zu sein.
McGillycaddy erklärte uns, dass Cordwailer in seinem Laden manchmal Bier ausschenkte und das Geschäft – das mit Ausnahme der Kirche das größte Haus in Brandersgate darstellte – auch ganz allgemein als Treffpunkt und – bei Bedarf – auch Versammlungsort diente. Früher habe er auch Zimmer vermietet, dies aber irgendwann aufgegeben, weil immer weniger Fremde in die Stadt kämen; seit ein paar Jahren eigentlich gar keine mehr. Trotzdem seien die entsprechenden Räumlichkeiten noch vorhanden und McGillycaddy war sicher, dass Cordwailer uns für eine Nacht aufnehmen würde, wenn er ein gutes Wort für uns einlegte. Cohens Mine verdüsterte sich bei dieser Ankündigung noch weiter, aber er hüllte sich auch jetzt noch in eisiges Schweigen.
Ich konnte seinen unübersehbaren Widerwillen ein wenig besser verstehen, nachdem wir den Laden betreten hatten und ich einen ersten Blick in die Runde geworfen hatte.
Cordwailers Gemischtwaren- und Spezialitetenhandel (das handgemalte Schild über der Tür zeugte nicht nur von den mangelnden Orthografiekenntnissen, sondern auch vom gesunden Selbstbewusstsein seines Besitzers) ähnelte auf verblüffende Weise McGillycaddys Wohnung. Er war zwar nicht ganz so unordentlich wie diese, aber alles hier war alt und wirkte auf eine schwer zu greifende Weise verfallen. Hinter der zerschrammten Theke, die eine ganze Hälfte des Raumes einnahm, erhob sich ein Regal, dessen Fächer mit allem möglichen Zeug vollgestopft waren. Nur bei dem Allerwenigsten vermochte ich überhaupt zu erkennen, worum es sich handelte, und noch weniger davon erschien mir geeignet, von irgendjemandem gekauft zu werden. Dutzende von Gläsern, Schachteln, Kästen und Kistchen drängelten sich auf der Theke und dazwischen erhob sich ein wahres Monstrum von Registrierkasse, auf dem wahrscheinlich schon die alten Ägypter ihre Steuereinnahmen zusammengezählt hatten.
Die andere Hälfte des Raumes wurde von drei wackeligen Tischen und einem Dutzend kaum vertrauenerweckend aussehenden Stühlen eingenommen, die wohl die Brandersgate-Version einer Schänke repräsentierten. Die Scheiben waren blind vor Schmutz, sodass das hereinfallende Tageslicht grau und irgendwie trüb wirkte, und in der Luft hing der Geruch von abgestandenem Zigarren- und Pfeifenrauch und altem Bier.
Cordwailer selbst – ein verhutzeltes kleines Männchen mit einer Hakennase und einer großen Narbe auf der Stirn – stand hinter seiner Theke und kritzelte mit einem kaum zwei Zoll langen Bleistiftstummel in ein zerfleddertes Heft, als wir eintraten, und in seinen Augen blitzte es kampflustig auf, kaum dass er Cohen erblickte. Aber McGillycaddy kam dem drohenden Streit zuvor. Mit einem raschen Schritt trat er an die Theke, wedelte mit beiden Händen, um Cordwailers Aufmerksamkeit zu erwecken, und erklärte dann unser Problem. Cordwailer lehnte es rundheraus ab, uns aufzunehmen, aber McGillycaddy ließ nicht locker und auch wenn man es ihm nicht ansah: Er schien doch über eine gewisse Autorität zu verfügen, denn schließlich willigte Cordwailer ein, wenn auch sichtlich widerstrebend.
»Aber nur für eine Nacht«, sagte er. »Und Frühstück gibts nicht. Meine Frau – Gott hab sie selig – ist vor drei Jahren gestorben und ich stehe nicht vor zehn auf.«
Dieses Geständnis machte mir den Alten schon bedeutend sympathischer. Auch ich pflegte – wenn es irgendwie ging – selten vor zwölf aus den Federn zu kriechen und Störungen vor zehn Uhr
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