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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bewusst wurde einen Körper zu haben, nicht nur ein Gedanke in der Leere zu sein, zu ewiger Verdammnis und Einsamkeit verurteilt. Und etwas in mir stürzte sich gierig auf diesen Schmerz, auf die Erinnerung an das wirkliche, echte Leben, das vor der großen Dunkelheit gelegen hatte, fachte ihn noch zu neuer Glut und Agonie an. Der Schmerz war nicht nur körperlich. Vielleicht war er es überhaupt nicht, denn zu diesem Zeitpunkt war ich mir meines Körpers nur vage bewusst. Viel schlimmer als die leibliche Pein war ein anderer, unendlich tiefer gehender Schmerz und ich spürte, dass die Wunden, die er schlug, niemals wieder verheilen würden. Ich war betrogen worden. Es hatte einen anderen Menschen neben mir gegeben, einen anderen Gedanken in der Finsternis, vielleicht den einzigen Menschen überhaupt, dem ich vorbehaltlos vertraut und den ich vorbehaltlos geliebt hatte. Ich wusste nichts mit all diesen Begriffen anzufangen, mit Worten wie Betrug und Liebe und Vertrauen und Verrat, und trotzdem brannte jedes dieser Worte eine weitere tiefe Narbe in meine Seele.
    Dann öffnete ich zum ersten Mal die Augen.
    Ich tat es nicht bewusst. Dazu wäre ich gar nicht in der Lage gewesen, denn wie hätte ich wissen können Augen zu haben und Lider, die sie schützten, wo ich mir doch nicht einmal über die Tatsache, einen Körper zu besitzen, völlig im Klaren war. Es war wohl nur ein Reflex – aber das Ergebnis war wie ein Vulkanausbruch.
    Licht, unerträglich grelles, weißes, loderndes Licht brannte sich wie ein Strom zischender Säure an meinen Sehnerven entlang, direkt in mein Gehirn und explodierte dort, als wäre eine winzige Sonne zwischen meinen Schläfen aufgeflammt. Dieser Schmerz war real und er war so heftig, dass ich mich zum ersten Mal wirklich bewegte und ein gequältes Stöhnen ausstieß. Ich hatte die Lider längst wieder geschlossen, gerade, dass ich den Bruchteil einer Sekunde in das Licht geblickt hatte, und doch war es, als wären meine Augen ausgebrannt, versenkt wie die leeren Augenhöhlen eines Wahnsinnigen, der wochenlang dagesessen und in die Sonne gestarrt hatte.
    Der Schmerz verebbte nur langsam und als das rote Toben hinter meiner Stirn aufhörte, lernte ich einen neuen, bis dahin unbekannten Sinneseindruck kennen: das Hören.
    Etwas polterte. Ich hörte einen erschrockenen Laut, dann ein Scharren und neuerliches Poltern und dann hatte ich das körperliche Gefühl nicht mehr allein zu sein. Ich spürte, wie sich jemand über mich beugte ohne mich zu berühren. Eine Stimme murmelte etwas; Laute, möglicherweise Worte, die ich in diesem Moment noch nicht zu verstehen in der Lage war. Ein weiteres Gefühl: Angst. Bei mir war ein anderer Mensch, was mir zugestoßen war, was so schrecklich war, dass es mich in jenen schwarzen bodenlosen Schlund geschleudert hatte und dass ich mich auch jetzt noch nicht daran zu erinnern vermochte, das hatte mir ein anderer Mensch angetan. Menschen bedeuteten Gefahr. Ich presste die Lider zusammen, so fest ich konnte, und versuchte mich tot zu stellen. Natürlich erreichte ich damit das genaue Gegenteil, doch auch das war mir in jenem Moment nicht klar.
    »Was ist los, Mary?«, fragte eine Stimme. Nicht die des Menschen neben mir. Sie war dunkel und klang irgendwie sonderbar und sie war weiter entfernt und auf der anderen Seite des Bettes. Bett. Ein Wort, das plötzlich Bedeutung hatte. Sorgfältig nahm ich es und legte es in eine der leeren Schubladen meines Gedächtnisses und während ich es tat wurde mir klar, dass sie gar nicht leer waren. Sie waren wohl gefüllt, mit Tausenden von Worten, Millionen von Bildern und der Erinnerung an unzählige Augenblicke, nur vermochte ich nichts von alledem zu erkennen. Etwas wie ein Schleier der Unsichtbarkeit lag darüber. Vielleicht würde er sich heben.
    »Er hat sich bewegt«, antwortete die Gestalt neben meinem Bett; Mary. Im gleichen Moment, in dem ich den Namen in Gedanken wiederholte, wusste ich, dass er zu einer Frau gehörte. Meine Erinnerungen kehrten zurück. Und der Schleier zerriss schnell.
    »Das ist unmöglich«, antwortete die tiefere, offensichtlich männliche Stimme wieder. »Du musst dich getäuscht haben.«
    Ich konnte hören, wie Mary den Kopf schüttelte, außerdem begann das Bett, auf dem ich lag, ganz sacht zu zittern; offensichtlich stützte sie sich mit den Händen darauf, während sie sich über mich beugte. »Ich habe es ganz genau gesehen«, beharrte sie. »Außerdem hat er gestöhnt.« Ein harter

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