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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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widersprechender Gefühle in seinem Blick mischte sich eine immer stärker werdende, wissenschaftliche Neugier. Das war etwas, was ich nur zu gut kannte, allerdings (beinahe überflüssig zu erwähnen) in diesem Moment ohne zu wissen, woher.
    »Unglaublich«, murmelte er kopfschüttelnd. »Absolut unglaublich. Er ist tatsächlich erwacht.« Aufgeregt beugte er sich vor. »Können Sie mich verstehen?«, fragte er. Plötzlich sprach er sehr schnell, mit dünner, bebender Stimme. »Verstehen Sie meine Worte? Können Sie sehen? Wie viele Finger sind das?« Er stellte all diese Fragen in einem Atemzug, sodass ich sie nicht einmal hätte beantworten können, wenn ich es gewollt hätte, hob die Hand und streckte Daumen, Zeige- und Mittelfinger in die Höhe.
    »Zwei«, antwortete ich. »Es sei denn, Sie bezeichnen den Daumen auch als Finger. Dann sind es drei.«
    Die Augenbrauen meines Gegenübers rutschten in die Höhe. Ein verblüffter Ausdruck machte sich auf seinem Gesicht breit, dann lachte er, leise, nur eine Sekunde und kein bisschen überzeugend. Kopfschüttelnd richtete er sich wieder auf. »Kein Zweifel, er ist wach«, sagte er.
    »Wo bin ich?«, murmelte ich. »Wer sind Sie? Wie komme ich hierher und was ist passiert?«
    »Immer der Reihe nach«, antwortete der Doktor – jedenfalls unterstellte ich, dass es der Doktor war, den Mary hatte holen wollen. »Zuerst einmal müssen Sie mir ein paar Fragen beantworten. Wie ist Ihr Name?«
    »Was für eine dumme Frage«, murmelte ich. »Mein Name ist …« Ich stockte, blinzelte verwirrt und setzte von Neuem an: »Mein Name ist …«
    Der Doktor nickte ernst. »Das habe ich mir gedacht«, sagte er. Sein betrübter Ton musste auf meinem Gesicht wohl zu Reaktionen geführt haben, die ich nicht beabsichtigt hatte, denn er beeilte sich, mit einem erzwungen optimistischen Lächeln hinzuzufügen: »Aber das hat nichts zu sagen. Nach so langer Zeit wäre es ein Wunder gewesen, wenn Sie die Augen aufschlagen, als hätten Sie sich gestern Abend nur zu einem Schlaf hingelegt. Keine Sorge, das kriegen wir auch noch hin.«
    »Auch noch?«, erwiderte ich lahm. »Was haben Sie denn … noch hingekriegt?«
    Der Doktor antwortete nicht, er tat sogar so, als hätte er die Frage gar nicht gehört, aber mir entgingen keineswegs die raschen, verständigenden Blicke, die er mit Mary und dem Mann mit dem Puzzle-Gesicht auf der anderen Seite des Bettes tauschte. »Das eine oder andere«, sagte er schließlich ausweichend. »Machen Sie sich keine Sorgen. Sie sind völlig in Ordnung.«
    Ich versuchte den Kopf zu heben. Es ging nicht. Ich versuchte die Hand unter der Decke herauszuziehen, aber es ging ebenso wenig. Schließlich versuchte ich den großen Zeh zu bewegen, mit dem gleichen Ergebnis. »Ja«, sagte ich, »das merke ich.«
    Wieder schüttelte der Doktor heftig den Kopf. »Sie dürfen keine Wunder erwarten, nach all der Zeit«, sagte er. »Es wird schon eine Weile dauern, bis sie wieder zu Kräften gekommen sind. Aber ich kriege Sie wieder hin wie neu, das verspreche ich Ihnen.« Er lächelte ein optimistisches Ärztelächeln, dann wandte er sich mit einer Geste an den Stöpselkopf. »Boris, du machst dich sofort auf den Weg und suchst seine Freunde. Sie sollen herkommen, auf der Stelle. Benachrichtige Doktor Gray. Wir werden uns inzwischen …«
    Seine Stimme wurde plötzlich leiser. Alle Geräusche, die ich hörte, hatten mit einem Male einen sonderbar, mehrfach gebrochenen Nachhall und plötzlich fühlte ich mich schwerelos und schwindelig. Meine Augenlider schienen Zentner zu wiegen und begannen sich gegen meinen Willen zu schließen.
    »Robert?«, fragte der Doktor. »Ist alles in Ordnung?«
    Ich konnte nicht antworten. Hinter meiner Stirn war plötzlich ein tiefer, bodenloser Schacht, in dem ein schwarzer Wirbel sich immer schneller und schneller drehte, und ich spürte, wie dieser Sog nach mir griff, um mich wieder hinabzuzerren in den saugenden Abgrund, dem ich gerade erst entkommen war. Und ich hatte nichts, was ich ihm entgegenzusetzen in der Lage war.
    Ich hörte noch, wie der Doktor erschrocken die Luft einsog und dann beinahe schrie: »Um Gottes Willen! Er kollabiert. Boris, Mary! Helft mir, ihn ins Labor zu bringen! Schnell!«
    Ich merkte nicht einmal mehr, wie sie mich vom Bett hoben.

 
18. Februar 1887
     
    Die Gefahr, dass die Kerker der GROSSEN ALTEN geöffnet wurden, war vorbei, nicht aber die Gefahr, in der sich Howard noch immer befand. Ganz im Gegenteil – er war

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