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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Porzellan, die von der gewölbten Decke des Raumes aus auf mich zielte. Eine Aureole aus knisternder blauer Helligkeit umgab die schimmernde Kugel an ihrem unteren Ende und der Anblick erschreckte mich zutiefst.
    Dann sagte der Doktor irgendetwas zu Boris und ich sah gerade noch, wie der kantige Riese einen der großen Hebel jener sonderbaren Apparatur umlegte, dann verschwand die Welt um mich herum in einem Feuerwerk aus knisternden blauen und weißen Blitzen und eine Sekunde später in einem allumfassenden, lodernden Schmerz.
    Damit endete der Albtraum und das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, wieder in dem gleichen Zimmer zu erwachen, in dem ich auch das erste Mal die Augen aufgeschlagen hatte. Wie damals war ich nicht allein. Genau wie damals befanden sich Mary und Boris bei mir, nur dass sie diesmal nicht erschraken, sondern ganz im Gegenteil auf eine Art reagierten, die mir klar machte, dass sie auf mein Erwachen gewartet hatten. Boris stand ruhig auf und ging hinaus, während Mary, die auf einem Stuhl neben meinem Bett saß, nach meiner Hand griff und sie festhielt. Ein sanftes Lächeln spielte um ihre Lippen und in ihren Augen erschien ein Ausdruck solch echter Freude, dass mich ein warmes, bis dahin ungekanntes Gefühl durchströmte. Es war lange her, dass ich in solche Augen geblickt hatte, ein solches Gefühl von Zuneigung und Liebe gesehen und …
    Ich konnte selbst spüren, wie das Lächeln auf meinem Gesicht gefror und dann zur Grimasse geriet. Marys Erleichterung schlug in jähen Schrecken um, aber sie ließ meine Hand nicht los. »Was haben Sie, Robert?«, fragte sie.
    Ich konnte nicht antworten. Ich wusste es nicht. Das hieß, natürlich wusste ich die Antwort doch, aber es war ein Wissen, das tief in meinem Bewusstsein verborgen lag, nicht einfach nur vergessen, sondern so tief vergraben, wie es nur möglich schien, und alles in mir sträubte sich verzweifelt dagegen es zu wecken, denn es würde Erinnerungen bringen, die schlimmer waren als der Tod.
    »Nichts«, sagte ich mühsam.
    Natürlich musste Mary erkennen, dass ich log. Aber sie war taktvoll genug es dabei zu belassen. Sie lächelte wieder. Aber es wirkte nicht mehr ganz so überzeugend wie zuvor.
    »Robert …«, wiederholte ich stirnrunzelnd. »Ist das mein Name?«
    »Ja«, antwortete Mary. »Sie erinnern sich nicht?«
    »Nein«, gestand ich. Ich erinnerte mich jetzt an vieles; beinahe schon an zu vieles. Während der vergangenen Nacht musste jemand sämtliche Fuhrunternehmer Londons angeheuert haben, um die leeren Schränke und Regale in den Gängen meiner Erinnerung aufzufüllen. Mein Kopf schwirrte von all den Dingen, die plötzlich darin waren, und in meinem Mund war ein Geschmack, als wäre mindestens eines der Zugpferde nicht ganz stubenrein gewesen. Ich wusste plötzlich wieder all die alltäglichen Dinge, die man weiß, ohne sich dieses Wissens speziell bewusst zu sein. Nur ein einziger Raum in dieser endlosen Bibliothek war nach wie vor verschlossen. Ich wusste nichts über mich. Weder meinen Namen, noch wer ich war, wie ich hierher gekommen und was mir zugestoßen war, nicht mehr, wer meine Freunde oder Feinde waren oder ob ich überhaupt welche hatte – rein gar nichts.
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte Mary, die meine Gefühle wohl deutlich auf meinem Gesicht gelesen hatte. »Boris holt den Doktor. Er wird gleich hier sein und Ihnen alle Fragen beantworten. Sie werden sehen, in ein paar Wochen sind Sie wieder ganz der alte. Er hat so vieles vollbracht, da kriegt er das auch noch …« Sie stockte, sah für einen Moment plötzlich betroffen aus und biss sich auf die Lippen und ich verstand, dass sie im Begriff gewesen war etwas auszusprechen, das sie nicht aussprechen wollte oder das auszusprechen ihr ausdrücklich verboten war.
    »Nach all dieser Zeit?«, fragte ich. »Was soll das heißen? Wie lange bin ich hier?«
    Mary wich meinem Blick aus. »Eine … ganze Weile«, sagte sie schließlich. »Ich weiß es auch nicht genau, und –«
    »Das genügt, Mary, danke«, sagte eine Stimme von der Tür her, die ich als die des Doktors erkannte, noch bevor ich mich umwandte und ihn ansah. »Sie können gehen.«
    Mary stand hastig auf und lief eine Spur zu schnell aus dem Zimmer um es nicht wie ein Weglaufen aussehen zu lassen; und ich sah, dass sich ein deutlicher Unmut auf den Zügen des Doktors spiegelte. Er versuchte sich zu beherrschen, aber es gelang ihm nicht ganz.
    »Wie lange bin ich schon hier?«, wiederholte

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