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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zurück, ehe er antwortete. »Sie hatten einen …« Er suchte hörbar nach Worten, lächelte und zuckte mit den Schultern. »Nun, nennen wir es einen Unfall. Einen ziemlich schlimmen Unfall um ehrlich zu sein.«
    »Einen Unfall? Was für einen Unfall?«
    In meinem Inneren rührte sich etwas. Eine Erinnerung versuchte zu erwachen, etwas Grässliches, unvorstellbar Grauenhaftes, das ich nicht erwachen lassen wollte, aber das immer stärker an seinen Ketten zerrte.
    Viktor schüttelte den Kopf. »Ich sagte: eine Frage«, erinnerte er. »Das gehört zu einer anderen. Belassen wir es dabei, dass Sie Brandverletzungen im Gesicht und an den Händen erlitten haben. Ziemlich schlimme Brandverletzungen, um es genau zu sagen.«
    »Moment mal«, sagte ich. »Sie … Sie wollen mir erzählen, dass mein Gesicht verbrannt ist und Sie mir … ein neues gemacht haben?!«
    Viktor machte eine Bewegung, die vielleicht ein Nicken war, vielleicht auch nicht. »So könnte man es ausdrücken«, sagte er. »Aber das war der kleinste Teil.«
    »Der kleinste Teil?«, ächzte ich. »Mann Gottes! Sie erzählen mir gerade, dass Sie mir das Gesicht eines Fremden verpasst haben, und –«
    »Nicht völlig«, unterbrach mich Viktor. »Ich hatte Bilder. Ich habe versucht eine gewisse Ähnlichkeit wiederherzustellen, aber es war nicht so leicht. Es tut mir Leid, wenn Sie nicht zufrieden sind, aber es ist alles, was ich tun konnte. Es war wichtiger die anderen Verletzungen zu behandeln.«
    »Was denn noch für andere Verletzungen?«, fragte ich.
    Wieder zuckte Viktor mit den Schultern. »Zahlreiche Knochenbrüche und Quetschungen, die Milz war gerissen, der linke Lungenflügel verbrannt, ein ziemlich hässlicher Glassplitter steckte in der Nähe Ihres Herzens …« Er sah mich fragend an. »Soll ich alles aufzählen? Das dürfte eine Weile dauern.«
    Ich antwortete gar nicht. Der Schrecken, mit dem mich seine Worte erfüllten, war noch viel zu tief, um ihn in diesem Moment wirklich zu erfassen. Dabei spürte ich gleichzeitig, dass er mit jedem Wort die Wahrheit sagte. Aber Viktor hatte Recht: Das gehörte zu einer anderen Frage und die Antwort darauf gehörte zu jenem tobenden, dunklen Ding in meinem Inneren, das noch immer an seinen Fesseln zerrte und das ich um keinen Preis der Welt befreien wollte.
    »Wie lange?«, murmelte ich.
    »Wie lange ich gebraucht habe oder wie lange Sie hier sind?«, fragte Viktor.
    »Beides«, antwortete ich. Ich sah ihn nicht an. Alles drehte sich um mich. Wenn auch nur die Hälfte von dem stimmte, was Viktor behauptete, hatte er etwas völlig Unmögliches getan. Schon was mit meinem Gesicht geschehen war, war vollkommen unmöglich.
    »Fünf Jahre«, sagte Viktor.
    Ich sah mit einem Ruck auf. »Fünf Jahre!«
    »Fünfeinhalb, um genau zu sein«, bestätigte Viktor. »Während der ersten sechs Monate habe ich die Hoffnung ein Dutzend Mal aufgegeben. Ich weiß nicht mehr, wie viele Stunden ich damit zugebracht habe, aus dem Trümmerhaufen, den Rowlf und das Mädchen hierher brachten, wieder einen Körper zu machen, der wenigstens von selbst atmete. Aber ich habe es geschafft. Und ich gebe offen zu, dass ich stolz darauf bin.«
    Ich hörte auch das nicht. Fünf Jahre? Fünf Jahre! »Ich bin fünf Jahre lang bewusstlos gewesen?«
    »Nein«, sagte Viktor ruhig und ich begriff, dass ich die letzte Frage laut ausgesprochen hatte. »Sie waren fünf Jahre lang praktisch tot.«
    Ich zweifelte keine Sekunde an diesen Worten. Ich hatte schon im ersten Moment gespürt, dass das, woraus ich erwachte, kein normaler Schlaf, nicht einmal eine normale Bewusstlosigkeit gewesen sein konnte. »Was ist passiert?«, fragte ich.
    Viktor zuckte mit den Schultern. »Ich gäbe meine rechte Hand, um die Antwort auf diese Frage zu kennen«, sagte er. »Sehen Sie, ich …« Er stockte. »Wenn Sie das zu sehr mitnimmt, sprechen wir später darüber«, sagte er. »Ich kann mir vorstellen, wie Sie sich fühlen.«
    »Nein«, flüsterte ich, »das können Sie nicht.« Dann lächelte ich gezwungen und fügte hinzu: »Reden Sie weiter. Die Ungewissheit ist schlimmer als alles, was Sie mir erzählen können, wissen Sie?«
    »Wie Sie wollen.« Viktor zuckte mit den Achseln, zog sich einen Stuhl heran und ließ sich darauf niedersinken. »Ich will ganz offen sein: Was Rowlf und das Mädchen zu mir brachten, das war ein Toter. Nicht mehr als eine Leiche, die schon zwei Tage in einem Sarg gelegen hatte, und noch dazu in furchtbarem Zustand war. Ich habe ihnen

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