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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ein zweites, sichereres Wissen in ihm und diesem Wissen waren alle Logik und alle rationalen Argumente egal; und es hatte fünf Jahre lang Zeit gehabt, Howard immer wieder zu erklären, dass alles anders gekommen wäre, hätte er auf seinen wahnwitzigen Gedanken, die Zeit betrügen zu wollen, verzichtet und dem Schicksal seinen Lauf gelassen. Die Götter lassen sich nicht ungestraft betrügen. Das Kind war tot, und es war tot, weil er versucht hatte, den vorgegebenen Lauf der Dinge zu ändern. Wenn er jetzt versuchte sich zu retten, bestand nicht nur die Gefahr, dass Robert endgültig starb – dann wäre auch alles, was er vorher getan hatte, umsonst gewesen. Der Tod des Jungen – falls der Tod eines Menschen überhaupt jemals einen Sinn haben konnte – würde sinnlos.
    Howard wollte nicht um den Preis dieser Schuld weiterleben; er wusste, dass er es nicht können würde.
    Ein fast verlegenes Räuspern riss Howard in die Wirklichkeit zurück. Er schrak ein wenig zusammen, sah auf und begegnete dem Blick des Henkers. Der Mann hatte sein Zögern bemerkt, ebenso wie den lautlosen Kampf, der sich deutlich auf Howards Gesicht widergespiegelt hatte, beides aber natürlich falsch gedeutet. Immerhin hatte er ihm aus Pietät noch einige Sekunden gegönnt. Jetzt blickte er ihn fast fragend an.
    Howard nickte und der Henker trat mit dem Seil in der Hand neben ihn, legte ihm die Schlinge um den Hals und schob den Knoten zurecht. Pedantisch überprüfte er den Sitz der Schlinge, damit es keine Komplikationen gab. Seine Bewegungen waren knapp und verrieten große Übung in dem, was er tat.
    Howard ließ alles regungslos über sich ergehen. Es würde schnell gehen, das zumindest. Vermutlich würde er nichts merken. Die ganze Konstruktion war so ausgerichtet, dass sich das Seil erst straffen würde, kurz bevor er den Boden berührte, um ihm im Bruchteil einer Sekunde das Genick zu brechen, statt ihn langsam zu erdrosselt.
    »Sind Sie bereit, Mister Lovecraft?«, erkundigte sich Langston. Seine Stimme klang belegt.
    Howard nickte stumm. Seine Angst erlosch. In diesen Sekunden, in denen das Ende unmittelbar bevorstand, breitete sich eine unnatürliche Taubheit in seinem Kopf aus, die selbst seine Gedanken zu lähmen schien. Er spürte nichts als Leere, als er auf die Männer herabstarrte.
    »Dann möge Gott Ihrer Seele gnädig sein«, sprach Langston die vorgeschriebenen Worte aus. »Henker von London, tu deine Pflicht.«
    Howard nahm nur aus den Augenwinkeln wahr, wie der Henker nach dem großen Hebel griff, der die Falltür unter seinen Füßen betätigte.
    Im gleichen Moment ertönte ein gellender Schrei.
     
    Es dauerte eine Weile, bis ich wieder zu mir kam; mit dröhnendem Schädel, dem widerwärtigsten Geschmack meines Lebens im Mund und verklebten Augen. In meinen Ohren rauschte das Blut und jeder einzelne Herzschlag echote als dumpfer Schmerz hinter meinen Schläfen; mehrmals und leiser werdend, um immer gerade dann, wenn er die Grenzen des Erträglichen unterschritten hatte, von einem neuen, dumpfen Dröhnen abgelöst zu werden.
    Ich konnte mich nicht einmal daran erinnern, das Bewusstsein verloren zu haben, aber das hatte ich, eindeutig, und das Erwachen war so unangenehm und schmerzhaft, wie die Ohnmacht plötzlich und warnungslos gekommen war.
    Wenn es eine Ohnmacht gewesen war. Je weiter sich meine Gedanken klärten, desto heftigere Zweifel hegte ich daran, dass es sich wirklich nur um einen normalen Schwächeanfall gehandelt hatte – obwohl auch dies in meinem momentanen Zustand nicht einmal sehr verwunderlich gewesen wäre. Aber meine Sinne meldeten sich nun (einzeln und jeder mit einem fröhlichen: Hallo, da bin ich wieder!, das er direkt in das Schmerzzentrum in meinem Gehirn hineinbrüllte) zurück und je mehr ich von meiner Umgebung wahrnahm, desto weniger glaubte ich daran. Es gab da einige Dinge, die ganz entschieden gegen diese Erklärung sprachen.
    Ich war nicht allein. Es gelang mir noch immer nicht meine Augen zu öffnen, denn irgendetwas verklebte meine Lider, sodass der Versuch mir nur einen stechenden Schmerz einbrachte, aber ich hörte Stimmen, die sich ganz in meiner unmittelbaren Nähe unterhielten, und ich spürte noch viel intensiver die Anwesenheit von Menschen.
    »… mal wissen, was der Bursche hier sucht«, sagte eine der beiden Stimmen, die ich auseinander halten konnte. Möglicherweise waren es auch mehr, aber das Rauschen in meinen Ohren war noch zu laut, als dass ich sicher sein konnte.

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