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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wie einen Sack Kartoffeln. Jack wurde nicht müde zu lamentieren, dass ich ihm das Bein gebrochen hätte und dafür bezahlen würde, und er humpelte auch dekorativ, um diese Behauptung zu untermauern; manchmal zwar mit dem falschen Bein, aber das Humpeln selbst vergaß er nie.
    Ich hatte es aufgegeben, mich wehren zu wollen. Shorty war mir – zumindest in meinem momentanen körperlichen Zustand – hoffnungslos überlegen und was meine Fähigkeiten mich mental zur Wehr zu setzen anging … nun, ich war sicher gewesen, dass ich irgendetwas getan hatte. Ich hatte sogar gespürt, dass auf einer den normalen menschlichen Sinnen nicht zugänglichen Ebene der Wirklichkeit irgendetwas geschah – aber es war leider ohne die geringste Wirkung auf die beiden Schläger geblieben. Vielleicht hatten sie einfach nicht genug Geist, um sie nachhaltig zu beeinflussen.
    Shorty blieb plötzlich stehen, sah sich nach rechts und links um und runzelte die Stirn, wodurch sein Haaransatz direkt auf seine Augen herunterzufallen schien. Wir hatten einen Punkt erreicht, an dem das Kanalisationsrohr einen halbrunden, gemauerten Tunnel kreuzte, und offensichtlich überlegte er, in welcher Richtung es weiterging.
    »Geradeaus«, sagte Jack. »Wir müssen erst an der nächsten Kreuzung abbiegen.«
    »Halt’s Maul, Jack«, antwortete Shorty. »Das weiß ich selbst. Aber irgendwas stimmt hier nicht.«
    Ich pflichtete ihm im Stillen bei. Hier stimmte sogar eine ganze Menge nicht. Meine Umgebung zum Beispiel, oder die beiden Lumpen. Statt mich von zwei Totschlägern durch die Kanalisation von London schleifen zu lassen, sollte ich in meinem Arbeitszimmer am Ashton Place sitzen, ein gutes Buch lesen und mir von Mary eine Tasse ihres köstlichen Tees servieren lassen, oder – Da war er wieder – einer jener Gedanken, die Teil eines völlig anderen Lebens zu sein schienen und die ich jetzt immer öfter und immer selbstverständlicher dachte. Ich war jetzt sicher, dass meine Erinnerungen schon in ganz kurzer Zeit vollkommen zurückkehren würden. Falls ich noch lange genug am Leben blieb, hieß das.
    Ich war so sehr mit meinen eigenen Überlegungen beschäftigt, dass ich im ersten Moment gar nicht registrierte, dass Shorty abermals stehen blieb. Erst als Jack mich mit einem derben Ruck zurückzerrte, sah ich auf.
    Das mannshohe Abwasserrohr vollführte vor uns eine sanfte Biegung, die aber nur zum Teil zu erkennen war, denn das Licht nahm mit jedem Yard Entfernung deutlich ab. Außerdem … war da etwas.
    Es war nicht genau zu erkennen. Ein Schatten. Vielleicht auch etwas wie ein Netz. Vielleicht auch bloße Einbildung.
    Aber wenn es eine Halluzination war, dann eine, der nicht nur ich, sondern auch die beiden Halunken erlagen, denn Shorty machte plötzlich eine Geste zu Jack, auf mich Acht zu geben, ließ meinen Arm los und ging allein weiter.
    »Tun Sie das nicht!«, sagte ich erschrocken. Ich wusste selbst nicht, warum, aber irgendetwas sagte mir, dass das Gebilde vor Shorty gefährlich war. Unvorstellbar gefährlich.
    Shorty ignorierte mich allerdings und ging einfach weiter, während Jack – was auch sonst? – meine Worte zum willkommenen Anlass nahm, mir in die Rippen zu boxen. Als ich wieder Luft bekam, waren auch wir weitergegangen und Shorty hatte das unheimliche Gebilde fast erreicht.
    Ich sah jetzt, dass es sich tatsächlich um eine Art Netz handelte, das allerdings vollkommen anders aussah, als etwa das einer Spinne. Die Fäden waren unterschiedlich dick und unterschiedlich lang und sie waren nicht in der üblichen Ästhetik eines Spinnennetz angeordnet, sondern … anders.
    Es war unmöglich, den Unterschied in Worte zu fassen. Es gab ein Muster, aber es entsprach einer vollkommen fremden, unangenehm anzuschauenden Symmetrie. Überall in diesem Netz hingen große, vibrierende Klumpen, schwarzen Geschwüren gleich, die feucht glänzten und darauf wartete, auseinander zu platzen.
    »Was zum Teufel ist das?«, murmelte Shorty. Er hob den Arm, hielt aber wieder inne, eine Sekunde, ehe er das Netz tatsächlich berührt hätte. »Das kann doch keine Spinne gemacht haben. Es ist viel zu groß. Und … und es sieht nicht richtig aus.«
    »Fassen Sie es nicht an!«, sagte ich warnend. »Um keinen Preis!«
    Jack und er sahen mich gleichermaßen erschrocken an und ich rechnete schon damit, dass Jack mich wieder schlagen würde. Stattdessen schluckte Jack nur ein paar Mal nervös.
    »Hauen wir ab«, sagte er. »Ich kann Spinnen nicht ausstehen.

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