Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I
ging ebenso flach und unregelmäßig wie sein Puls – aber wenigstens lebte er noch.
Von Robert hingegen war nichts zu entdecken.
»Was ist mit ihm?«, erkundigte sich Mary bangend.
»Er lebt, aber er muss schnellstens in ein Krankenhaus«, erklärte Howard und richtete sich wieder auf. Erst jetzt fiel ihm eine weitere, halb geöffnete Tür auf. »Wohin geht es da?«
»Wenn das der normale Eingang zum Laboratorium ist, musste dahinter der Gang liegen, der zu den Vorratsräumen führt«, sagte sie, ging hinüber und sah nach. »Wie ich vermutet habe. Und …«
Sie brach ab und lauschte einen Augenblick. »Es kommt jemand«, flüsterte sie.
Auch Howard hörte im gleichen Moment die sich nähernden Schritte mehrerer Menschen. Er schaute sich nach einem Versteck um, doch das Laboratorium bot keinerlei Möglichkeit, sich zu verbergen. Kurz erwog er den Gedanken, sich auf die Geheimtreppe zurückzuziehen, aber das würde ihm nur einen Vorsprung von wenigen Sekunden verschaffen. Die Scharniere der Tür waren ziemlich eingerostet und machten nicht den Eindruck, als ob sie sich lautlos schließen ließe. Und jedes Geräusch würde die Eindringlinge nur erst recht aufmerksam machen.
Er entschied sich blitzschnell, huschte in den toten Winkel neben der Tür und zog auch Mary mit sich.
Nur wenige Sekunden später betrat der erste der Eindringlinge das Laboratorium. Howard packte zu, bekam einen langen Mantel zu fassen und wirbelte den Unbekannten herum, um ihm das Messer an die Kehle zu setzen. Seine Bewegung war so schnell, dass niemand mehr darauf hätte reagieren können.
So weit die Theorie.
Der Eindringling reagierte mit unglaublicher Schnelligkeit. Ein wuchtiger Ellbogenstoß in den Magen trieb Howard zurück und gleich darauf verlor er plötzlich den Halt unter den Füßen. Er prallte hart zu Boden und noch bevor er sich von dem Sturz erholen konnte, spürte er bereits die Spitze eines gewaltigen Messers an der Kehle.
»Sill, nich!«, ertönte eine Stimme. »Dassis Howard!«
Erst jetzt sah Howard, dass es sich bei dem ersten Eindringling um eine Frau handelte, und er erschauerte noch nachträglich, als er Sill el Mot erkannte und begriff, um welche Haaresbreite er dem Tod entronnen war. Vermutlich war er der einzige Mensch auf der Welt, der es jemals überlebt hatte, sie mit einem Messer anzugreifen …
Die Schwertklinge verschwand von seinem Hals und gleich darauf fühlte er sich von gewaltigen Pranken gepackt und so derb in die Höhe gerissen, dass ihm die Luft wegblieb. Dicht vor sich sah er Rowlfs freudestrahlendes Bulldoggengesicht, dann presste ihn der Hüne so fest an sich, dass Howard es ernsthaft mit der Angst zu tun bekam, er würde ihm alle Knochen brechen. Verzweifelt versuchte er Rowlf etwas zuzuschreien, aber er bekam einfach keine Luft.
»Mensch, Howard!«, jubelte Rowlf. »Du bisses wirklich! Mann, dassich das noch erlebn tun darf! Er isses! Er lebt! Er tut lebn und is frei! Gott sei Dank! Gottseidankgottseidankgottseidank!«
Und bei jedem Gott sei Dank hüpfte er vor lauter Freude auf einem Bein herum und presste Howard dabei so heftig an sich, dass seine Rippen hörbar knirschten. Vor Howards Augen begannen allmählich dunkle Schlieren zu kreisen. Seine Lungen schrien nach Luft, aber Rowlfs Wiedersehensfreude kannte keine Grenzen mehr. Er wirbelte Howard herum, dass ihm schwindelte, strahlte dabei wie Kind, das zum ersten Mal im Leben einen Weihnachtsbaum sah, und rief immer wieder: »Er lebt! Stell dir vor, Sill, er tut lebn!«
Howard bekam endlich wieder ein wenig Luft und stöhnte hörbar. »Lass mich los!«, keuchte er. »Ich bitte dich, Rowlf!«
Auf Rowlfs Gesicht erschien ein betroffener Ausdruck. Hastig blieb er stehen und stellte ihn auf die Füße.
Howard presste stöhnend die Hände gegen seine malträtierten Rippen »Willst du … nachholen, was die im Gefängnis … versäumt haben?«, keuchte er. »Ich wusste nicht, dass du … auf die andere Seite gewechselt bist.«
Rowlf fuhr schuldbewusst zusammen – aber er grinste trotzdem weiter wie das sprichwörtliche Honigkuchenpferd. »Mensch, H.P., du lebs noch. Ich habs kaum glaubn tun, als Gray erzählt hat, dasse ausm Knast abgehaun bis.«
Howard rang sich ein Lächeln ab. »Wenn ich gewusst hätte, dass ich dafür um ein Haar erst von Sill aufgespießt und dann fast von dir zerquetscht werde, hätte ich es mir gründlicher überlegt.«
»Sie is nu ma meine Leibwächterin«, nuschelte Rowlf und zuckte entschuldigend die
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