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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einem einzigen Zweck erschaffen worden war und diesen Zweck perfekt erfüllte. Sie hatte die SIEBEN SIEGEL DER MACHT zusammengefügt.
    Was danach geschehen war, wusste ich nicht. Ich erinnerte mich an das SIEGEL in Priscyllas Händen und ihr schrilles, hysterisches Lachen und danach an nichts mehr. Ich war gestorben, aber Howard hatte mich irgendwie … zurückgeholt.
    Doch wozu? Hatte er wirklich geglaubt, mir damit einen Gefallen zu tun? Hatte er tatsächlich auch nur eine Sekunde lang geglaubt, dass ich noch weiterleben wollte, nach allem, was geschehen war und woran ich mich jetzt erinnerte?
    »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
    Ich drehte mich herum. Howard stand hinter mir. Durch den Schleier von Tränen vor meinen Augen erkannte ich ihn nur undeutlich. »Warum, Howard?«, fragte ich mit tränenerstickter Stimme. »Warum hast du mich nicht einfach sterben lassen?«
    »Sir?«, fragte Howard verwirrt. Natürlich war es nicht Howard. Es war ein Mann in der schwarzen Uniform der Londoner Bobbys, über die er ein glänzendes Regencape geworfen hatte. Sein Gesicht glänzte vor Nässe und vom Rand seines runden Hutes tropfte Wasser. Er sah mich verstört, fragend und besorgt zugleich an, aber auch ein wenig ratlos. »Kann ich etwas für Sie tun?«
    »Ich … nein«, antwortete ich. »Ich habe Sie mit jemandem verwechselt. Bitte verzeihen Sie.«
    »Das habe ich mir schon gedacht«, sagte der Bobby. »Ist wirklich alles in Ordnung mit Ihnen?«
    »Ja«, antwortete ich. »Ich war nur …« Ich suchte einen Moment nach Worten, ehe ich auf die verkohlte Ruine deutete. »Das ist mein Zuhause. Es hat einmal mir gehört, wissen Sie?«
    Der Polizist wirkte nicht besonders überzeugt. »Andara-House? Soviel ich weiß, ist es vor über fünf Jahren niedergebrannt. Der Besitzer kam dabei ums Leben.«
    »Er war mein Bruder«, sagte ich. »Ich war eine Weile fort und bin erst heute nach England zurückgekehrt.«
    Jetzt machte sich ein Ausdruck echten Mitgefühls auf dem Gesicht meines Gegenübers breit. »Das ist ein Schock, das verstehe ich«, sagte er. »Trotzdem: Sie sollten nicht hier im Regen stehen. Es ist kalt.«
    »Ich … bleibe nur noch einen Moment«, antwortete ich stockend. »Haben Sie jedenfalls vielen Dank für Ihre Sorge.«
    »Dafür sind wir da, Sir«, sagte der Bobby. »Trotz allem: einen schönen Tag noch.« Er tippte mit zwei Fingern an den Rand seines Hutes, wandte sich um und ging mit langsamen Schritten davon. Ich sah ihm nicht nach, aber ich spürte, dass er ein paar Mal zu mir zurückblickte, und ich wusste auch, dass ich sein Misstrauen nicht vollends zerstreut hatte. Wahrscheinlich würde er in wenigen Minuten zurückkommen, um sich davon zu überzeugen, dass ich auch wirklich gegangen war. Weder meine Geschichte noch mein Aussehen konnte ihn vollkommen überzeugt haben. Der Regen, der mich bis auf die Haut durchnässt hatte, hatte zwar den Schmutz und Gestank der Kanalisation aus meinen Kleidern gewaschen, aber sie waren trotzdem zerfetzt und auch meine Geschichte würde einer auch nur etwas eingehenderen Überprüfung kaum standhalten.
    Aber ich hatte auch nicht vor zu warten, bis der Beamte zurückkam. Ich überzeugte mich davon, dass er im Moment nicht in Sicht war, dann stieg ich über die niedergebrochene Umfriedung und ging mit langsamen Schritten auf das Haus zu.
    Mein Herz begann langsam und sehr schwer zu schlagen, während ich mich der geschwärzten Treppe näherte. Mein Blick glitt über die geborstenen Mauern und weiter über das, was einmal der gepflegte, parkähnliche Garten von Andara-House gewesen war. Jetzt glich er einer Wüste. Der Brand hatte die meisten der hundert Jahre alten Eichen vernichtet, ebenso wie fast alle anderen Pflanzen, und obwohl seither mehr als fünf Jahre vergangen waren, hatte die Natur das verlorene Terrain bisher noch nicht zurückerobert.
    Wie unheimlich der Anblick war, fiel mir erst jetzt richtig auf. Die verkohlten Baumstümpfe ragten schwarz und kahl aus einem Boden, den der Regen in einen braungrauen Morast verwandelt hatte. Nirgendwo zeigte sich der winzigste Flecken von Grün; kein Grashalm, kein Moos, kein Unkraut hatte auf dem brandgerodeten Boden Fuß gefasst. Und – auch dies bemerkte ich erst jetzt wirklich – auch die Ruine des Hauses selbst bot sich mir nur in den Farben des erloschenen Feuers dar: schwarz und grau und braun.
    Der Anblick war nicht nur unheimlich, er war regelrecht beängstigend.
    Das Haus stand seit fünfeinhalb Jahren so da.

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