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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Howard weiter vor. Endlich taucht das Haus vor ihm auf, aber er konnte nicht sagen, dass der Anblick ihn froher stimmte. Es war uralt und gewaltig; mit seinen zahlreichen Seitenflügeln, vorspringenden Erkern und kleinen Türmchen erinnerte es mehr an eine Trutzburg als an eine Villa. Viktor liebte die Abgeschiedenheit und von dieser hatte er hier mehr als genug. Aber Howard glaubte zu wissen, dass sich Viktor noch aus einem anderen Grund gerade für dieses Haus entschieden hatte: Es erinnerte frappierend an den Stammsitz seiner Familie in Deutschland, von wo er bereits vor vielen Jahren vertrieben worden war. Howard hatte das Schloss derer von Frankenstein nur ein einziges Mal besucht, aber er erinnerte sich noch so deutlich daran, als wäre es erst gestern gewesen.
    Die Ähnlichkeit war nicht einmal so sehr äußerlich. Es war mehr der Eindruck, den das Haus beim Betrachter hervorrief, eine Art … Ausstrahlung, die es wie eine unsichtbare Aura umgab. Das klobige Gemäuer mit seinen rissigen, von Jahrzehnten des berüchtigten Londoner Wetters gezeichneten Mauern, den finsteren, klaffenden Fenstern und dem wuchtigen Eingangsportal strahlte eine so düstere Aura von Alter und Verfall aus, dass Howard unwillkürlich einen Moment stehen blieb.
    Er war nicht zum ersten Mal hier und er hatte die Hoffnung inzwischen aufgegeben, dass er sich jemals an Viktors verdrehten Sinn für Schauerromantik gewöhnen würde, aber an diesem Tag war es besonders schlimm. Das alte Herrenhaus erschien ihm nicht nur düster, sondern geradezu feindselig. Es kam ihm wie ein lauernder Moloch vor, der nur auf einen Dummkopf wartete, der das Portal durchschritt, um ihn zu verschlingen.
    Eine weitere beunruhigende Erinnerung stieg in Howard auf. Für einen Moment sah er ein anderes Haus vor sich, das seines seit langem toten Freundes Ushers kurz vor seinem Untergang, und der Gedanke steigerte seine Beklemmung noch.
    Erst jetzt fiel Howard etwas auf, dass er schon die ganze Zeit über unbewusst wahrgenommen hatte und das möglicherweise die Schuld an dem Gefühl von Unbehagen trug, ohne dass es ihm bisher bewusst geworden wäre.
    Es war zu still.
    Nicht ein einziger Vogel zwitscherte in den Bäumen, nicht einmal das Summen von Insekten oder das leise Rascheln von Wühlmäusen oder Ratten war zu hören; keiner der zahllosen, bewusst kaum wahrzunehmenden Laute, die doch die Stimme eines so großen Gartens wie dieses waren. Abgesehen vom monotonen Prasseln der Regentropfen auf die Blätter hatte sich Schweigen wie eine unsichtbare Decke über den Park ausgebreitet; eine so vollkommene Totenstille, dass sie auf beklemmende Art fast stofflich wirkte.
    Wie schon das äußere Tor des Grundstücks war auch das Eingangsportal der Villa zu seiner Beunruhigung nicht verschlossen, sondern nur angelehnt. Howard drückte es vorsichtig weiter auf, gerade weit genug, dass er in der Lage war, sich durch den Spalt zu zwängen, konnte aber dennoch nicht verhindern, dass es in den Scharnieren knarrte. In der herrschenden Stille kam ihm das leise Geräusch überlaut vor.
    Auf dem schwarz-weißen Mosaikboden der Eingangshalle lag ein Toter.
    Howard warf nur einen flüchtigen Blick darauf und wandte sich dann sofort wieder ab. Erst nachdem er sich vergewissert hatte, dass keine unmittelbare Gefahr auf ihn wartete, zwang er sich, den Leichnam noch einmal genauer anzusehen.
    Er kannte den Toten. Es war Boris, Viktors Assistent.
    Aber er war nicht einfach nur getötet worden. Jemand – etwas – hatte ihn regelrecht zerfetzt. An einigen Stellen hatte sich sein Fleisch schwarz verfärbt und sah aus, als hätte es begonnen zu zerfließen und sich zu … irgendetwas anderem zu formen, ohne diesen Prozess völlig zu beenden. Ein Ekel erregender Geruch ging von dem Leichnam aus, nicht der süßliche, schwere Geruch des Todes, sondern etwas anderes, viel, viel Schlimmeres.
    Der Anblick bewies Howard, dass seine Ahnung ihn nicht getrogen hatte, und er alarmierte ihn zugleich auch aufs Höchste. Boris war nicht einfach nur groß und hässlich gewesen, sondern auch mindestens so stark, wie er aussah. Wahrscheinlich hätte er selbst einen Hünen wie Rowlf mit einer Hand mühelos zu Boden gerungen. Wer – oder was – immer ihn so zugerichtet hatte, musste schier ungeheuerliche Kräfte haben.
    Es war kein Mensch gewesen, dessen war Howard sich sicher.
    Nach einer Weile richtete er sich wieder auf und wandte sich schaudernd ab. Was immer Boris umgebracht hatte, konnte noch hier

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