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Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London

Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London

Titel: Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und feststellen, dass er überhaupt nie mit Kelly zur Harper-Werft und an Bord der THUNDERCHILD gegangen wäre, dass es das Schiff womöglich gar nicht gäbe. Aber er wusste, dass das nicht stimmte, dass das, was er erlebte, die Wirklichkeit war, zumindest ein fremdartiger, unbegreiflicher Teil der Realität.
    Irgendetwas in seinem Kopf war durcheinander geraten, vielleicht hatte er sogar vollends den Verstand verloren. Im Verlauf der letzten Stunden hatte der Gedanke seinen Schrecken für Norris verloren, er hätte es sogar begrüßt, sich in die tröstliche Umarmung des Wahnsinns flüchten zu können, weil es vielleicht der einzige Ausweg für ihn gewesen wäre. Aber nicht einmal das gelang ihm. Er wusste nicht, was mit ihm geschah und was das alles zu bedeuten hatte, aber ansonsten konnte er noch genauso klar denken wie immer und das war vielleicht der schlimmste Fluch überhaupt.
    Zudem hatte er festgestellt, dass der unbegreifliche Veränderungsprozess seiner Umgebung immer noch nicht abgeschlossen war. Anfangs hatte ihn sein Weg statt durch eiserne Korridore durch Felsgänge geführt, die es hier zwar nicht geben dürfte, die ansonsten jedoch völlig normal gewesen waren. Mittlerweile jedoch hatte sich alles um ihn herum noch ein gehöriges Stück weiter in die Welt der Albträume und des Unfassbaren verschoben.
    Die Gänge schienen auf eine unbeschreibliche Art zu leben!
    Irgendwann war Norris bewusst geworden, dass sie in einem fort ihre Form veränderten. Wenn er ein Stück weit einen völlig geraden Gang entlanggegangen war und zurückblickte, entdeckte er Biegungen hinter sich und Gabelungen oder Abzweigungen entstanden wie aus dem Nichts heraus, aber das war es nicht allein. Die Gänge waren zugleich auf eine völlig unmögliche Art in sich gekrümmt und verdreht, sie waren gerade und gleichzeitig gebogen, führten nach oben und unten gleichzeitig und immer wieder meinte er aus den Augenwinkeln heraus Winkel wahrzunehmen, die allen bekannten Formen Hohn sprachen und gar nicht existieren dürften. Wann immer er genauer hinzusehen versuchte, verschwammen sie vor seinen Augen und ein beißender Schmerz erwachte hinter seiner Stirn, sodass er den Blick nach ein paar Sekunden stets wieder abwenden musste, weil das, was er sah, seinen Verstand und sogar sein Vorstellungsvermögen überstieg.
    An einer Kreuzung mehrerer Gänge ließ Norris sich schließlich zum wiederholten Male zu Boden sinken. Er war mit seiner Kraft am Ende und seine Füße taten ihm weh, aber das registrierte er nur am Rande, ebenso wie den Durst, der ihn bereits seit geraumer Zeit plagte. Alles, was er noch fühlte, war Erschöpfung. Er wusste, dass es für ihn keinen Weg mehr aus diesem Labyrinth heraus geben würde. Er würde sterben und welchen Unterschied machte es noch, ob er sich noch länger auf der vergeblichen Suche nach einem Ausgang weiterquälte oder ob er gleich hier sitzen blieb und auf den Tod wartete? Er tastete nach dem Revolver in seinem Gürtel. Ein kurzer, schneller Tod wäre in jedem Falle gnädiger, als hier unten zu verdursten. Hunderte Male hatte er bereits daran gedacht, seinem Leiden selbst ein Ende zu setzen, es dann aber doch nicht getan. Er war kein besonders religiöser Mensch, aber seine Mutter war es gewesen und von Kindheit an hatte er gelernt, dass Selbstmord eine Todsünde wäre, die mit ewiger Verdammnis gesühnt würde. Dieses Denken saß so tief in ihm, dass er nicht dagegen ankam, zumindest nicht, solange seine Verzweiflung nicht so vollkommen war, dass ihm selbst das gleichgültig gewesen wäre. Was er hier erlebte, war bereits eine Form der Verdammnis, aber irgendwo tief in ihm brannte immer noch ein Funken Hoffnung und auch diesmal löste er nach kurzem Zögern wieder den Hand vom Griff der Waffe.
    Noch blieb ihm Zeit, wenn auch nicht mehr viel. Zum Teil beruhte seine Hoffnung darauf, dass er Licht hatte, aber das Petroleum in seiner Lampe war bis auf einen winzigen Vorrat verbraucht. Länger als eine Stunde würde sie kaum noch brennen und so lange wollte auch Norris noch warten. Warten und weiterhin auf ein Wunder hoffen.
    Zusammengekauert saß er da und starrte in die Dunkelheit der Gänge um ihn herum, als er plötzlich etwas spürte. Im ersten Moment hielt er es für Einbildung, aber dann begriff er, dass sich tatsächlich etwas veränderte. Der Boden unter ihm begann sich zu bewegen. Es war ein fast unmerkliches Vibrieren, das sich in regelmäßigen Abständen wiederholte, fast wie das dumpfe

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