Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London
zurückzugehen; zunächst nur langsam und zögernd, dann immer schneller, bis er schließlich zu rennen anfing.
Ich hatte nicht erwartet, nach den Ereignissen des vergangenen Abends auch nur eine Minute Schlaf zu finden. Ich hatte mich noch eine Zeit lang mit Howard unterhalten, ohne dass das Gespräch irgendein Ergebnis gebracht hatte. Wir hatten keine Ahnung, mit welchen Gegnern wir es zu tun hatten, und bevor wir nicht wenigstens ein paar Anhaltspunkte fanden, konnten wir auch nichts unternehmen. Schließlich hatte mich Howard von Rowlf ins Hilton zurückfahren lassen und mir den Rat gegeben, mich für ein paar Stunden hinzulegen. Erst als ich meine Suite betreten hatte, war mir bewusst geworden, wie müde ich war, und tatsächlich war ich bereits wenige Minuten, nachdem ich mich ins Bett gelegt hatte, eingeschlafen. Es war ein unruhiger, von Albträumen gepeinigter Schlaf gewesen, aus dem ich immer wieder aufgeschreckt war.
Erst gegen Morgen war ich schließlich in einen tieferen Schlummer gesunken und als ich das nächste Mal aufwachte, war es bereits halb zwölf. Das Tageslicht vertrieb die Schatten der Albträume und schon nach ein paar Sekunden konnte ich mich nicht einmal mehr richtig an ihren Inhalt erinnern.
Dafür erinnerte ich mich umso deutlicher an das, was am gestrigen Abend passiert war, und es war genau diese Erinnerung, die meine Müdigkeit vollends vertrieb. In aller Eile wusch ich mich und zog mich an. Merlin war nirgendwo zu entdecken, aber daran war ich gewohnt. Seit der Kater bei mir eingezogen war, kam und ging er, wie es ihm gefiel, und ich ließ das Fenster im Badezimmer stets nur angelehnt, auch wenn es mir nach wie vor ein Rätsel war, wie es das Tier schaffte, aus dem sechsten Stock des Hotels sicher bis zum Boden zu gelangen – und zurück.
Da ich so schnell wie möglich mit Howard sprechen wollte, verzichtete ich darauf, mir wie üblich das Frühstück aufs Zimmer bringen zu lassen, sondern verließ die Suite und ließ mir lediglich im Speisesaal eine Tasse Kaffee servieren, während ich auf die bestellte Kutsche wartete. Aus der einen Tasse wurden zwei, bis endlich eine Hotelangestellte an meinen Tisch kam und mir mitteilte, dass der Wagen eingetroffen sei.
»Sind Sie ganz sicher, dass Sie zu dieser Adresse wollen?«, erkundigte sich der Kutscher, nachdem ich ihm mein Ziel genannt hatte. »Die Pension WESTMINSTER liegt in einer Gegend, die … nun ja, ziemlich schäbig ist. Selbst bei Tage ist es nicht ungefährlich dort. Ich vermute, Sie meinen eher das Hotel gleichen Namens.«
Ich seufzte. Gespräche wie dieses waren in den letzten Monaten fast schon zu einem Ritual geworden, wann immer ich Howard besuchen wollte. Kein Kutscher schien sich vorstellen zu können, dass ein Gast des Hilton wirklich die heruntergekommene Pension WESTMINSTER aufsuchen wollte, und die Ratschläge, es doch lieber im gleichnamigen Hotel zu versuchen, kamen mir mittlerweile schon zu den Ohren heraus.
»Nein, die Adresse stimmt«, bestätigte ich und drückte dem Kutscher eine weitere Pfundnote in die Hand, mit der Bitte, sich zu beeilen.
»Wie Sie meinen«, murmelte er, schob seinen schwarzen Zylinder zurecht und ließ die Peitsche knallen, kaum dass ich eingestiegen war.
Während der Fahrt hing ich meinen Gedanken nach. Ich hatte vor, später noch zusammen mit Howard zu Scotland Yard zu fahren, um mich bei Cohen zu erkundigen, ob die Suche nach Montgomery und den Dieben des Reliefs bereits Fortschritte gemacht hätte. Ganz sicher war es nicht gestohlen worden, weil irgendjemand es auf eine archäologische Kostbarkeit abgesehen hatte, davon war ich überzeugt. Den Dieben – beziehungsweise ihren Hintermännern – war es gezielt um diese Hinterlassenschaft der GROSSEN ALTEN gegangen und bereits die Vorstellung, dass sich das Relief nun in den Händen von Anhängern der uralten Dämonengötter befinden könnte, die es benutzten, um damit neues Grauen heraufzubeschwören, genügte, um mir den Magen umzudrehen. Ich musste so schnell wie möglich herausfinden, was dahintersteckte, um größeres Unheil zu verhindern. Möglicherweise hatte Cohen ja bereits einige Hinweise gefunden. Selbst mitten in der Nacht dürfte es nahezu unmöglich sein, eine tonnenschwere, auf mehrere Fuhrwerke verladene Steinplatte durch London zu transportieren, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen.
Die Kutsche wurde langsamer und hielt kurz darauf an.
»Wir sind am Ziel«, teilte mir der Kutscher überflüssigerweise
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