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Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London

Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London

Titel: Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Erinnerungen.
    »Kinder«, brabbelte er vor sich hin. »Kinder.«
    Der Unfall hatte all seine Pläne mit einem Schlag zunichte gemacht. Oft genug hatte er darauf hingewiesen, dass etwas mit der Maschine nicht stimmte, aber niemand hatte auf ihn gehört, bis sich einer der Bolzen plötzlich gelöst und ihm den gesamten Arm bis hoch über das Ellbogengelenk aufgerissen hatte.
    Das war der Beginn seines unaufhaltsamen Niederganges gewesen. Irgendwie schien sich sein Leben von diesem Moment an in eine immer steiler werdende Eisbahn verwandelt zu haben, auf der er einfach keinen Halt mehr fand.
    Mit einem steifen Arm, den er nur unter Schmerzen und nicht einmal dann richtig bewegen konnte, war er natürlich arbeitsunfähig, ein Krüppel, der ein halbes Jahr gebraucht hatte, bis er auch nur wieder gelernt hatte sich allein anzuziehen und die nötigsten Dinge zu verrichten. Die Firma hatte sich geweigert ihm eine Rente zu zahlen und ihm stattdessen eine Mitschuld an dem Unfall angedichtet – und damit vor Gericht Erfolg gehabt. Ihm war lediglich eine kleine Abfindung ausgezahlt worden; nicht einmal genug, um die Schulden zu bezahlen, die sich während seines Aufenthaltes im Krankenhaus angesammelt hatten. Statt in ein eigenes Haus, hatten Emily und er in eine winzige, schäbige Wohnung umziehen müssen, ein lichtloses Loch, wo es oft so feucht war, dass das Wasser an den Wänden herunterlief. Nach einem Jahr hatte der keuchende, andauernde Husten bei Emily begonnen und nicht einmal ein Jahr später war sie tot. Tuberkulose. Ihr Tod hatte ihm endgültig jeden Lebenswillen geraubt.
    McGiven trank einen weiteren Schluck und spürte an dem leichten Schwindelgefühl, das sich hinter seiner Stirn ausbreitete, wie der Alkohol allmählich doch seine Wirkung entfaltete. Seit Emilys Tod war der Fusel sein einziger Freund, alles andere war ihm gleichgültig geworden. Und nicht einmal das stimmte wirklich. Der Alkohol war nicht sein Freund, sondern vielleicht sogar der schlimmste seiner Feinde, denn er macht nichts besser und er half nicht einmal wirklich zu vergessen. Früher oder später würde er ihn umbringen, aber McGiven trank trotzdem weiter. Vielleicht hatte etwas tief in ihm drinnen ja erkannt, dass dies die einfachste Lösung war: weiter zu trinken, bis der Schnaps zu Ende brachte, wozu ihm der Mut fehlte: nämlich sich umzubringen.
    Vergeblich versuchte er diese Gedanken zu verdrängen, fuhr sich mit dem Handrücken über Stirn und Augen, als könnte er auf diese Weise nicht nur die Benommenheit, sondern auch seine Erinnerungen fortwischen. Seine Hand war feucht, als er sie herunternahm, aber er weigerte sich die Nässe zu identifizieren, die sein Gesicht benetzte.
    Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung wahr; ein rasches, flüchtiges Huschen am Rande des flackernden Lichtscheins, den das Feuer verbreitete. Das Trippeln winziger horniger Krallen drang an seine Ohren.
    Ratten!
    McGiven verzog angewidert das Gesicht. Er hasste Ratten. Die verdammten Biester waren überall. Offiziell stand das Haus schon seit mehr als drei Jahren leer und war gesperrt; und ebenso lange kam McGiven bereits mehr oder weniger regelmäßig hierher. Das Haus gefiel ihm nicht, es war ihm unheimlich, aber es stand leer und niemand kümmerte sich darum, wer darin schlief. Bereits wenige Jahre nach der Fertigstellung des nach seinem Architekten benannten Hansom-Komplexes an der Atkins-Road hatte man festgestellt, dass die Konstruktion eine Spur zu gewagt ausgefallen war, dass die Stahlträger der Last der acht Stockwerke nicht gewachsen waren und das Gebäude unter seinem eigenen Gewicht einzustürzen drohte. Vergeblich hatte man Nachbesserungen vorgenommen, nur um das Haus schließlich doch zu sperren und zu beschließen es abzureißen – was bis heute auf sich hatte warten lassen. Diesen Komplex zu errichten, musste Millionen gekostet haben, aber es war niemand da, der nun auch noch die Summe aufbrachte, um ihn wieder abreißen zu lassen.
    McGiven war es nur Recht so. Er kam oft hierher, um für die Nacht ein Dach über dem Kopf zu haben, das ihm Schutz vor Regen, Kälte und manchmal auch zu großer Hitze bot. Gewöhnt hatte er sich an diese unheimliche Umgebung bis heute jedoch nicht.
    Der Zustand des Gemäuers war katastrophal. Überall lagen Abfall und Unrat herum, Trümmer und Schutt türmten sich manchmal bis unter die eingebrochenen Zwischendecken hinauf. In mehreren Stockwerken waren die Treppen eingestürzt. Aus diesem Grund hielt sich

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