Hexer-Edition 24: Das Haus der bösen Träume
versteckt hatte. Ich wagte kaum zu atmen. Die Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf, wuselten wie emsige kleine Ratten umher, wirr und ohne dass es mir gelang, einen einzufangen. Wie eine Ratte in einem Käfig fühlte ich mich auch. Weglaufen konnte ich nicht, denn aus dem Korridor gab es keinen weiteren Ausweg. Ganz abgesehen davon, dass ich durch meine Schritte die Unbekannten erst recht auf mich aufmerksam machen würde, glaubte ich nicht, dass es mir viel nutzen würde, mich in einem der Zimmer zu verstecken. So verrückt es auch anmutete, aber die Eindringlinge schienen geradezu zu spüren, wo ich mich befand.
Ich packte den Kerzenleuchter fester.
Im Lichtschein eines Blitzes sah ich einen riesigen, monströsen Schatten auf dem Boden vor mir. Der Sekundenbruchteil, den der Blitz währte, war zu kurz, als dass ich Einzelheiten erkennen konnte, dennoch ließ mich der Anblick zusammenzucken. Es musste sich um die miteinander verschmolzenen Schatten mehrerer Personen handeln, so riesig und missgestaltet, wie der dunkle Fleck auf dem Boden gewesen war, aber trotzdem erschreckte er mich bis ins Mark. Irgendetwas an dem Umriss des Schattens war schrecklich falsch gewesen und mir dennoch auf eine merkwürdige Art vertraut vorgekommen, ohne dass ich es mir erklären konnte.
Gleich darauf kam der erste der Unbekannten um die Ecke gebogen. Mit einem Schrei sprang ich vor, den Kerzenleuchter zu einem wuchtigen Hieb erhoben. Im buchstäblich letzten Moment gelang es mir, meinen Schlag noch abzustoppen, als ich im Lichtschein eines weiteren Blitzes den Eindringling erkannte.
Es handelte sich um Howard.
»Sauwetta, mistiges«, schimpfte Rowlf, während er sich umständlich aus seinem Regenmantel schälte. »Hätt auch ruhig noch’n Viertelstündchen länger trocken bleim könn.«
»Das Schlimmste dürfte erst noch kommen. Ich hoffe nur, dass Howard Andara-House noch rechtzeitig erreicht.« Mary Winden streckte ihren Arm aus. »Gib her den Mantel, ich hänge ihn zum Trocknen auf.«
Rowlf verharrte mitten in der Bewegung. »H.P. is nach Andara-House? Wat willer’n da mitten inner Nacht?«, fragte er ungläubig.
»Er sagte, er will noch einmal nachsehen, wie es Robert geht.« Mary schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Natürlich, du weißt ja noch gar nichts davon. Robert ist heute zurück nach Andara-House gezogen.«
»Wat?« Rowlf riss verblüfft die Augen auf. »In de Bruchruine? Hammse dem Kleenen ins Gehirn ge …?« Er brach ab und schüttelte den Kopf. »Ich mein’, wat soll’n dat so plötzlich? Is irjendwat passiert?«
»Nicht, dass ich wüsste.« Mary zuckte die Achseln. »Angeblich soll der größte Teil des Hauses inzwischen fertig sein. Robert hat gesagt, in spätestens ein, zwei Wochen könnten wir nachkommen. Dann würde er auch neues Personal einstellen. Bis dahin will er sich angeblich schon mal dort eingewöhnen.«
»Eingewöhnen.« Rowlf schnaubte. »Dat is doch die blödeste Idee, von der ich je gehört hab’. Entweder tickt der Kleene nich mehr sauba oda da stimmt wat nich. Dat stinkt doch zum Himmel!«
Rowlf wusste nur zu gut, dass eine Menge Leute ihn für einen Dummkopf hielten und er bemühte sich selbst nach Kräften, das Image des gutmütigen, aber tumben Idioten zu pflegen, doch in Wahrheit besaß er nicht nur einen wachen Verstand, sondern war auch in der Lage, äußerst genau zu beobachten. Ihm entging nicht, dass die Haushälterin sich anscheinend immer unwohler in ihrer Haut zu fühlen begann.
»Dat is noch nich alles«, sagte er ihr auf den Kopf zu. »Sie verschweigen mir etwas, Mary.«
Zögernd nickte sie.
»Ich … ich glaube, Robert ist von der ganzen Sache auch nicht sonderlich begeistert«, sagte sie und knetete nervös ihre Hände. »So weit ich mitbekommen habe, war es wohl Howards Idee. Und was Howard betrifft …« Sie machte eine kurze Pause. »Ich finde, er hat sich irgendwie verändert in den letzten Wochen.«
»Verändert?« Rowlf musterte sie aufmerksam.
»Du warst ja die meiste Zeit unterwegs, deshalb hast du es wohl nicht so gemerkt«, sagte Mary. Ihr war deutlich anzumerken, wie unbehaglich sie sich fühlte. »Es … es ist nichts wirklich Auffälliges, aber er wirkt oft geistesabwesend, ist mürrisch und verschlossen.«
»Dat is bei H.P. doch nix Besonderes.« Rowlf grinste flüchtig, wurde jedoch sofort wieder ernst und legte die Stirn in Falten, was ihm noch mehr Ähnlichkeit mit einer Bulldogge verlieh. »Aba mir geht’s genauso. Irgendne
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