Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
einen renommierten Verlag gewinnen kann.
Intermezzo: Ein (fahlmannsches) Gedicht:
Wenn sich das Universum
In sich selbst zurückkrümmt,
Bin ich eigentlich Innenminister,
Dachte der Außenminister des Universums,
Der viel lieber Drontenminister wäre,
Denn dann hätte er
Überhaupt nichts zu tun.
Ich (wie wohl jeder Mensch von landläufigem Verstand und einem Mindestmaß an lyrischer Kompetenz) mag dieses Gedicht (und das nicht nur, weil mir wie jedem Tier- und Menschenfreund die Dronten sehr am Herzen liegen; ich habe meinem Sohn vor einigen Wochen eigenhändig ein Kuscheltier in Gestalt eines Dodos gekauft, und zwar in Oxford, jener Stadt, in der nicht nur etliche Szenen der Harry-Potter-Filme gedreht worden sind, sondern die zudem die Dronte im Wappen trägt. Glaube ich jedenfalls. Aber ich schweife ab – und hoffe doch, damit so manches über das Kompositionsprinzip des zu besprechenden Romans angedeutet zu haben).
Zur Publikation eingereicht wird dieses von Dichter Fahlmann »auf der Kneipentoilette heimlich notierte« Stück Drontenpoesie allerdings in folgender, »mit den sattsam bekannten Zaubertricks der Lyrischen Moderne« aufgemotzten Fasson:
das universum es krümmt sich in
Krümmt sich in sich selbst zurück in
Krümmt es sich zurück also bin ich ja ich
Innenminister wenn es sich zurück es sich
krümmt das universum meine ich in sich
in krümmt es sich so dachte der außen
minister des universums ach dronten
minister ach drontenminister ach wäre
viel lieber drontenminister bitte dronten
minister universum bitte bitte dronten
minister ach drontenminister dort unten bitte
Der Lektor zeigt sich mäßig begeistert; er bevorzugt Gedichte vom Niveau der zuvor von Fahlmann dem Publikum geschenkten »schWEINe-essIG-Texte«.
Ich gebe zu, Passagen wie diese zitiere ich aus dem alten Aberglauben heraus, dem zufolge geteiltes Leid halbes Leid sei. Dass sich an diese Stelle im Roman allerlei Lustiges im Detail anschließt, zumal Nachdenkliches über die Dronte, sei jedoch eingeräumt.
Die Romanhandlung beginnt mit dem Tod von Georg Fahlmanns Vater, der durch einen Unfall auf dem Hof des Beerdigungsinstituts ums Leben kommt. Onkel Jörg, Mitteilhaber des Instituts, setzt den Leichenwagen zurück, während Georgs Vater sich nach einer Zigarettenschachtel bückt. Rauchen gefährdet eben jederzeit die Gesundheit, und diese Moral exemplarisch herausgearbeitet zu haben, wird ein bleibendes Verdienst dieses Werks sein.
Nach dem tragischen, aber lehrreichen Tod seines Erzeugers lebt der Sohn weiter. Georg Fahlmann ist verheiratet, hat ein Kind und empfindet sein Leben als irgendwie »ereignislos«. Was nichts Gutes verspricht, schließlich ist das Buch mit seinen 1026 Seiten eher umfangreich, ein belletristischer Wälzer von geradezu mittelalterlichem Format. Wer wie ich an einer der auf 38 Zeilen auch noch eng mit Buchstaben bestückten Seiten seine zwei Minuten liest (und sich dabei flott vorkommt), muss also 2052 Minuten (also über 34 Stunden) Lebenszeit in die Lektüre investieren. Das ist zwar deutlich weniger, als Moses und seine Israeliten für den Weg durch die Wüste Sinai benötigten, aber so viel weniger nun auch wieder nicht.
Damit sich Lesekamele wie ich besser in der großen fahlmannschen Bleiwüste orientieren können (womit ich nichts gegen Bleiwüsten gesagt haben will; jede Kulturlandschaft hat ihre Liebhaber),
liegt dem Buch ein Büchlein bei, das heißt: »Liebeserklärung an eine Zielscheibe«. Nebst Leseproben und einem Interview mit dem Dichter enthält es ein kommentiertes Verzeichnis der 104 Personen des Buches (plus eine Katze).
Man liest dort e. g.: Zinke, Schreinermeister; Schluhg, Mitarbeiter der Volkshochschule Waldkirchen; Struebing, Buch- und Schreibwarenhändler – was alles sachlich und solide klingt. Dann aber tauchen nicht nur diverse »Schemen« auf, sondern immer mehr Phantastisches oder der Phantastik kundiges Personal: Dick, Philip K.; Carter, Nick; Bester, Alfred (der in Eckers Roman allerdings als Professor, Doktorvater und Verfasser des Bildungsromans »Pimann« unterwegs ist); Swedenborg, Emanuel von (der Geisterseher); Herder, von (ein blinder Waffenerfinder) oder Gölmopp, Curbel (mein Favorit, nebenbei), Letzterer »Held in den Geschichten, die Georg Fahlmann seinem Sohn erzählt. Klemmt Curbel sich einen roten Plastikeimer unter den Arm, kann er fliegen.« (Vorsicht, bitte nicht zu Hause nachstellen!)
Thema des Buches (jedenfalls das annoncierte Thema)
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