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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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Universität Potsdam unter Leitung von Susanna Mende, herausgegeben von Rike Bolte · Golkonda Verlag, Berlin 2010 · 183 Seiten · € 16,90
     
    Dieses Buch ist zuallererst ein Fest für den Leser – nicht nur des schön gesetzten Textes wegen, sondern auch und vor allem wegen der überbordenden Sorgfalt, mit der hier Buchschmuck verwendet wurde. Es finden sich nicht nur eigens für diesen Band entwickelte, an Maya-Schriften erinnernde Ziffern, sondern auch aus diesen abgeleitete Symbole zu jeder Geschichte, die auf der Klappenbroschur und der Titelei auftauchen.
    Da fühlt sich der Leser doch gleich umringt von Rätselhaftem, Phantastischem, Surrealem – und nichts könnte besser zu den hier erstmals in deutscher Sprache vorgestellten zwölf Texten der Grande Dame der argentinischen Science Fiction passen. Ja, »Texte«: Mit Erzählstrukturen springt Angélica Gorodischer nämlich ebenso rabiat um wie mit den thematischen Konventionen der SF-Literatur. Will heißen: Beides ist ihr herzlich egal.
    Das beginnt mit schrägen Titeln wie »Der unverwechselbare Duft wilder Veilchen« oder »Verkündigung von königlichen Reichen und hängenden toten Gewässern« (worin Forscher einer fernen Zukunft über die waffenstrotzenden Hinterlassenschaften unserer Zivilisation rätseln). Nach Verbindungen zwischen den Texten und ihren kryptischen Überschriften muss der Leser im Alleingang fahnden.
    Das geht weiter mit der Weigerung der Autorin, Weltenbau zu betreiben – Hintergründe werden nicht beschrieben, Erklärungen nicht geliefert. Der Phantasie des Lesers wird jede Hängematte verweigert, in der sie sich gemütlich niederlassen könnte. Unbequem, aber ungemein animierend, sich selbst Gedanken zu machen. Da wird zwar, beispielsweise, Raumfahrt betrieben – aber zu welchem Zweck, bleibt nebulös.
    Das gipfelt in der Art und Weise, in der Gorodischer ihre Figuren agieren lässt. Manche Handlungen bleiben völlig rätselhaft, während andere wirken, als stammten sie direkt aus einem Traum, wie
überhaupt die Stimmung des Bandes eher abgehoben und mystisch ist.
    Glücklicherweise sind nicht alle Texte so weit entrückt wie die Titelgeschichte, die eher als Gedicht in Prosa daherkommt und hinter den wohlklingenden Sätzen seines dahinsprudelnden Bewusstseinsstroms einen Abgrund aus Gewalt und Seelenqual offenbart. (Es handelt sich, wie man in den Anmerkungen erfährt, um einen Ausschnitt aus einem längeren Werk.)
    »De te fabula narratur« verkleidet sich als wissenschaftlicher Text, inklusive der Satzbauverrenkungen und Fremdwortgewitter, mit denen solche Texte gelegentlich ihre Belanglosigkeit tarnen, und entpuppt sich schließlich als enorm distanzierte, aber dennoch wütende Auseinandersetzung mit dem Altwerden.

    In »Die Natur ist eine grausame Mutter« wird das Motiv der Meerjungfrau umgestülpt und sozusagen von den Füßen auf die Flossen gestellt. »Die Frauen in ihrer Familie hatten ihr von klein auf versichert, dass Männer für gewöhnlich dumm seien, zum Glück …« Und so ernten die Meerjungfrauen geiles Mannsvolk vom Strand – was dem Begriff Aquakultur eine ganz neue Bedeutung verleiht.
     
    In »Schwarzer Kaviar« ist die Welt gründlich zuschanden gegangen, so gründlich, dass ein Weiterleben in dieser Welt weder möglich noch zumutbar ist. Und natürlich gibt es eine Rettung, einen letzten Ausweg, eine Parallelwelt, in die hinüberzuwechseln den Männern allerdings verwehrt bleibt. Denn sie hören einfach nicht zu …
    Man merkt recht schnell, dass der magische Realismus der südamerikanischen Literatur der Vater dieser Texte sein mag, ein durchaus bissiger Feminismus jedoch seine Mutter.

    Natürlich fallen nicht alle Beiträge des Bandes derart extrem und experimentell aus. Tatsächlich nehmen zwei eher konventionell gestrickte Geschichten fast die Hälfte des Buches ein: »Im Licht des keuschen Elektronenmondes« und »Die Embryonen des violetten Lichts«. Dabei konfrontiert besagtes violettes Licht eine völlig überforderte Raumschiffbesatzung mit der Möglichkeit, Wünsche aller Art tatsächlich in Erfüllung gehen zu lassen – ungeachtet der Frage, ob dergleichen von der Obrigkeit gutgeheißen wird oder nicht. Und natürlich murmelt das Militär gleich etwas von einem taktischen Orbitalbombardement, als sich herausstellt, dass es die fremden Kräfte sind, die tatsächlich entscheiden, welche Wünsche wahr werden. Das ist ein ganz anderer Ansatz als in Tarkowskis Film Stalker oder in

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