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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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obwohl nicht real, offenbar durchaus tödlich wirken können. Die Bemühungen des Versuchsleiters, die Teilnehmer unbeschadet aus ihrem albtraumverseuchten Tiefschlaf herauszuholen, sind nur wenig erfolgreich. Und zu allem Überfluss erweist sich die in eine »chemische Botschaft« verwandelte und als solche kommunizierbare Psychose auch für Außenstehende als quasi »ansteckend« und entkommt wie eine unsichtbare Tarantula aus dem Labor, mit unabsehbaren Folgen für die Umwelt.
    Das ist schon mal eine spannende Geschichte, und der Autor verwendet große Mühe darauf, sie zusätzlich besonders spannend

    Der Skiurlaub wird zum Horrortrip: Karoline Schuch (Yin-Li), Tom Schilling (Aleph), Nico Holonics (Liam), Alma Leiberg (Carla), Peter Davor (Coba)
zu erzählen. Über lange Strecken hinweg wird der Hörer in die immer absurder und unheimlicher werdenden Erlebnisse der Studenten hineingezogen, distanzlos und orientierungslos wie diese selbst. Andererseits muss er, um irgendwann die Geschichte hinter der Geschichte enträtseln zu können, Informationen von jenseits dieser klaustrophobischen Welt erhalten, aber auch nicht zu viele und nicht zu schnell, um sich nicht zu früh mit einem entspannten »Aha« zurücklehnen zu können. Daraus ergibt sich eine ziemlich hohe Anforderung ans Zuhören.
    Es beginnt, scheinbar real, im Hindukusch, wo ein Hubschrauberpilot beim letzten Aufklärungsflug vor dem Heimaturlaub abstürzt, dann, Schnitt, in einer Uni-Mensa, wo Studenten Urlaubspläne besprechen und eine – noch – harmlose Irritation erleben, als der Kassenautomat ihre Kreditkarten nicht akzeptiert. Von daher neigt man dazu, zwei parallel laufende Handlungsstränge zu erwarten, die sich entlang einer Zeitachse und irgendwann aufeinander zubewegen – natürlich ein Trugschluss. Die nach und nach eingestreuten Rückblenden lassen dann eine andere Erzählstruktur erkennen. Doch wenn man im weiteren Verlauf der Geschichte zu zweifeln beginnt, ob das von den Hauptfiguren gerade Erlebte real ist, kann man ja auch daran zweifeln, ob diese Rückblenden und deren Informationsgehalt als »real« aufzufassen sind.
    Zusätzlich legt der Autor noch andere falsche Spuren. So lässt er die verunsicherten Studenten gemäß ihrem Wissen und ihren Erfahrungen selbst diverse Theorien über das Geschehen entwickeln – sie spekulieren über wandernde »toxisch verseuchte Zonen«, Genmutationen und sogar die Möglichkeit, in ein Paralleluniversum geraten zu sein. Und kurzfristig besitzen all diese Erklärungsversuche eine gewisse Plausibilität – die Sache mit dem flächig versprühten, halluzinogenen Kontaktgift kommt der Situation ja schon recht nahe.
    Aber so, wie sich die beiden überlebenden Probanden verzweifelt anstrengen müssen, um aus der Bewusstseinsfalle herauszufinden und das zur Selbstrettung Nötige zu unternehmen, so bleibt auch dem Zuhörer eine gewisse Mühe nicht erspart. Ich wage sogar zu sagen: Kaum einer wird umhinkommen, das Hörspiel ein zweites Mal anzuhören, um alle Feinheiten zu erfassen. Aber ich finde auch, es ist der Mühe wert und außerdem ein spannendes Experiment mit der eigenen Wahrnehmung von »Realität« in einem Produkt der Kunst.

    Shooting Star des SF-Hörspiels: Bodo Traber, mit Petra Feldhoff (Regie) und Ralf Haarmann (Komposition) nach Produktionsende (v. links nach rechts)
    Bodo Traber hat in seinem Hörspiel Die Flüsterer (Kurd-Laßwitz-Preis 2009) eine furiose Hommage an den Science-Fiction-Autor Philip K. Dick abgeliefert; dessen obsessives Fragen »Wie real ist die sogenannte Realität« durchzieht auch die Geschichte um Die blauen Schafe .
    Der experimentierfreudige Wissenschaftler stellt provokant die These in den Raum, aufgrund der Struktur des Universums könne es verschiedene nebeneinander existierende Realitäten geben. Und auch beim Hörer, der im Verlauf des Geschehens von einem Albtraum in den anderen geführt wird, bleibt am Ende ein leiser
Zweifel, ob dieses letzte Aufwachen der Probanden in einem verlassenen Labor und einer menschenleeren Stadt nun wirklich als die »Realität« oder als ein weiterer Albtraum einzuschätzen sei.
    Außerdem erfährt neben dem offen zitierten James Graham Ballard noch ein anderer Autor eine versteckte Würdigung: Brian W. Aldiss, der ebenfalls mit der Infragestellung der Wahrnehmung spielt. Sein Roman »Barefoot in the Head« schlägt bereits das Thema des massenhaft verbreitbaren, bewusstseinsverändernden Kontaktgifts an. Doch während

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