Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
Hörspiel, das ansonsten mit auffallend schnellen Dialogwechseln und Wortreihungen arbeitet. Zugleich führen sie vor, was es bedeutet, wenn in der Sparsprache wieder einmal Wörter gestrichen wurden, wie zum Beispiel das Wort »Infusion«. Doch dank ihrer Intelligenz kann die Slam-Poetin schließlich das fehlende Wort buchstabieren und damit das Programm überlisten. Und schon sind wir beim Stichwort »Intelligenz«. Menschliche Intelligenz und Maschinen-Intelligenz – ein Kernthema des Hörspiels. »Kann eine Maschine denken?« , kann sie intelligent sein? Diese Frage beschäftigte Alan Turing schon 1950, und um sie zu beantworten, erfand er den sogenannten Turing-Test, der seitdem viel und kontrovers diskutiert wird. Der Turing-Test besteht darin, dass ein Mensch per Tastatur und Monitor mit einer für ihn nicht sichtbaren Maschine interagiert, zum Beispiel mit ihr Schach spielt oder sich mit ihr unterhält, und dabei erkennen soll, ob sein Gegenüber eine Maschine ist oder ein Mensch.
Kundin beim Sprachlabor: Maren Kroymann (Conny Ziegler)
Kleiner Exkurs: Im Oktober 2008 fanden an der englischen University of Reading im Rahmen des 18. Loebner-Preises, der jährlich für das »menschenähnlichste« Computerprogramm vergeben wird, Turing-Tests statt. Das beste Programm konnte 25 Prozent der menschlichen Versuchsteilnehmer täuschen.
Nun, im Hörspiel ist es eine Maschine, die das Gegenüber als Maschine erkennt. Während sich Lucinda noch auf ihre Verabredung mit Max freut – den hat sie im »Kontakt-Karussell« kennengelernt, und er hat ihr mit seiner Slam-Poetry mächtig imponiert, sodass sie ihm großzügigerweise einige »Sprachkreditpunkte« (zum Kauf von Wörtern) geschenkt hat –, wird sie von Syntacticus vor Max gewarnt. Denn Syntacticus erkennt die Maschinensprache von Max und stuft ihn als Virus ein. Doch Lucinda lässt sich nicht beirren und hindert Syntacticus daran, Max zu stoppen, der gerade dabei ist, sich ins Computersystem einzuloggen. (Man wundert sich hier etwas, dass Syntacticus den Angriff von
Max nicht automatisch abwehrt.) Als Lucinda ihren Irrtum einsehen muss, ist es zu spät. Und nun enttarnt sich Prof. Blanke als Schöpfer von Max. Das hat durchaus Logik: Die Schöpfung neuer Sprachen, zumal innerhalb eines Sprachraums, wie die Firma »Sprachlabor Babylon« sie vorantreibt, muss einem Interlinguisten missfallen, torpediert sie doch seine Suche nach einer Universalsprache, seine Versuche, »quasi in die Zeit vor Babel zurückzukehren« (Blanke, 2001). Bisher hat sich nicht mal Esperanto als Universalsprache durchsetzen können!
Das »Sprachlabor Babylon« dagegen errichtet einen Sprachturm, der Kommunikation vernichtet, Sprach-Klassen schafft und Arme und Reiche weiter auseinandertreibt. Da nach Wilhelm Humboldt, den der Autor natürlich auch erwähnt, die Sprache das Denken beeinflusst, werden hier Finanzschwache nicht nur ihrer Sprach- und Kommunikationsmöglichkeiten beraubt, sondern auch der Vielseitigkeit ihres Denkens und damit aus Bereichen des gesellschaftlichen und politischen Lebens ausgeschlossen. Kein Thema für die Wirtschaft. Für sie zählt nur der Profit, verklärt heißt das: Wir müssen die Sparsprache »verschlanken«, damit sich die Entwicklung neuer Sprachmodule rentiert, oder: »Wir können keine Wörter verteilen, die vorher nicht erwirtschaftet worden sind.«
Und hier soll nun Max dem Spuk ein Ende bereiten. Doch die Geister, die Prof. Blanke rief … Die Maschine verselbstständigt sich, wie so oft und besonders oft in der Science Fiction. Zum Schluss kann niemand mehr Max aufhalten, auch Prof. Blanke nicht. Dabei tut Max nur in aller Konsequenz, was der Logik von Prof. Blanke entspricht: die Sprachprogramme abschalten! Ist Max also eine intelligente Maschine, die den Turing-Test bestehen könnte? Doch bevor Max sämtliche Sprachprogramme deaktiviert, müssten erst mal alle Menschen die Sprache mühsam wiedererlernt haben! Und das hat Max nicht »bedacht«. So verhallt sein letztes »Hallo?« im sprachlosen Raum …
Christiane Timper
FRANK NAUMANN
FOXp2 – DAS TIER SPRICHT
Regie: Sven Stricker · Mitteldeutscher Rundfunk 2011
Die Privatbank Märker hat dringenden Bedarf an einem neuen, innovativen Werbekonzept und beauftragt einen Mitarbeiter, mit der Agentur Brainwash Kontakt aufzunehmen. Etat: Fünfzigtausend. Bedingung: Die Werbebotschaft muss von Tieren rübergebracht werden. Brainwash befindet sich momentan in existenziellen finanziellen
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