Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
Vom Netzwerk:
Sintflutartige Regengüsse haben weite Landstriche Europas überflutet und verwüstet, viele Todesopfer gefordert und die Infrastruktur lahmgelegt. (Eine
Bemerkung am Rande: Liebe Autoren, Regisseure und Redakteure bei allen Sendern der ARD: »Springflut« nennt man die höher ausfallende Flut bei Vollmond und Neumond. Eine Springflut ist keine Sturmflut, keine Überschwemmung, keine Flutkatastrophe und auch kein Tsunami!) »Die Katastrophe – das sind wir!« war die Erkenntnis der Stunde. Ein Umdenkprozess hat eingesetzt, die konservative Regierung wurde gestürzt und die Blauen haben 60 Prozent der Wählerstimmen erreicht.
    Danach ist nichts mehr, wie es war. Die neue Kanzlerin propagiert die »Blaue Revolution«; ein Stufenplan soll die Reduktion auf ein vorindustrielles Niveau herbeiführen. Konsequenter Konsumstreik, drastische Energieeinsparung und Naturprodukte sind die Gebote der Zeit. Anfangs kommt es noch zu Hamsterkäufen – nicht jeder ist bereit, auf Kaffee, Südfrüchte, Fleischwaren und dergleichen zu verzichten. Doch moralischer Druck, »Blaue Berater« und »Aufklärungstrupps« überzeugen bald auch den letzten Zweifler. Plastik und Fastfood sind tabu, die Menschen kochen wieder selbst, der Metzger verkauft »pflanzliches Pressfleisch«, die gute Schurwolle ersetzt den Nylonslip, Taschenbücher werden zu Klopapier recycelt, Autos durch Rikschas und Eisenbahnen durch Draisinen ersetzt, Fernreisen weichen dem Campingurlaub am Baggersee und nachts bleiben die Städte dunkel.
    Während die Blaue Bilanz immer besser wird, zeigen sich bei einer wachsenden Zahl von Bürgern Verhaltensauffälligkeiten, welche die Regierung mit Bastelkursen, Lachseminaren und Schwitzhüttenkuren zu kompensieren sucht. Ausgerechnet auf dem Höhepunkt des Mutter-Erde-Kults, als die Blaue Bewegung im Tipi-Zeltlager ihren Erfolg feiert, bricht es wie ein Katarakt aus der Bevölkerung hervor – mit nie gekannter Gier stürzen sich die Menschen auf ihre heimlich gehorteten Delikatessen und machen sich über gegrillte Schweinsbratwürste her, die sie so lange entbehren mussten. Nach dem Scheitern der »Blauen Revolution« lässt die Autorin eine der Akteurinnen resümieren: »Große Veränderungen brauchen wohl doch etwas mehr Zeit«. Ein doch etwas banales Fazit …
    Das Hörstück der 1964 geborenen Dramaturgin und Autorin Chris Ohnemus transportiert durchaus einige interessante Ideen
und bedenkenswerte Aspekte. »Seid nicht so dogmatisch«, scheint sie uns sagen zu wollen, »ökologisches Streben sollte sich nicht durch Ideologien vereinnahmen lassen und keinen moralischen Druck oder gesellschaftlichen Zwang ausüben.« Das hört sich zunächst sehr liberal an, und wer von uns ärgert sich nicht still und heimlich über das Verbot der guten alten Glühbirne? Andererseits: Wer kann Beispiele nennen, bei denen bloße Freiwilligkeit zu einer Veränderung geführt hätte?
    Wir kaufen Fleisch aus Massentierhaltung, weil es billig ist. Wir importieren Früchte aus Australien und Rosen aus Afrika. Wir schmeißen Lebensmittel weg, weil sie problemlos nachzukaufen sind. Wir verwenden Produkte aus Tropenholz, weil die Händler sie nun mal anbieten. Wir finden es normal, dass wir von drei und mehr verschiedenen Paket- und Briefdiensten beliefert werden. Wir rasen mit dem Auto, wo kein Verkehrszeichen die Geschwindigkeit begrenzt. Wir fliegen zum Shoppen nach London und zum Saufen nach Mallorca, weil es keine Kerosinsteuer gibt und wir es uns leisten können. Könnte ein sanfter gesellschaftlicher Druck auf Regierung, Energiekonzerne, Importeure, Transportunternehmen, Handel und nicht zuletzt den Verbraucher selbst nicht doch mehr bewirken als nur wohlfeile Appelle an die Freiwilligkeit? Auch Fukushima war, tragischerweise, ein solcher Druck, ohne den sich im Denken der Verantwortlichen nichts geändert hätte.
    Doch selbst wenn man die Fragwürdigkeit der »Message« und die problematische Behandlung eines ernsten Themas mit Mitteln der Satire außer Acht lässt: Das Hörstück krankt vor allem daran, dass die Autorin sich nicht so recht zwischen Ernst und Spott entscheiden kann. Davon, dass sie »sehr gekonnt« auf »dem schmalen Grat zwischen Witz und Nachdenklichkeit« balanciert, wie in der Anmoderation behauptet wird, kann keine Rede sein.
    Zum Vergleich höre man das Hörspiel Grünland – oder: Die Liebe zum Dynamit (SFB 1982, Regie: Heiner Schmidt). Ulrich Horstmann hat darin mit einem vergleichbaren Ansatz eine Art

Weitere Kostenlose Bücher