Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
ordnen. Mit dieser Aufgabe wurde er nun nicht mehr fertig …
Sicher glaubte in seinen frühen Lebensjahren niemand, dass Hanns Kneifel einmal zum Schöpfer zahlreicher Science-Fiction-Welten werden würde. Er wurde 1936 im oberschlesischen Gleiwitz geboren; die Wirren des Krieges verschlugen ihn wie viele Flüchtlinge und Vertriebene nach Bayern. Geht man von den wenigen Andeutungen aus, die von Kneifel
überliefert sind, hatte die Familie – wie so viele – in den Jahren nach dem Krieg kein leichtes Leben: zuerst in einem Dorf im Alpenvorland, ab 1948 dann in München.
Hanns Kneifel (1936–2012)
Vielleicht erwuchsen in dem Jugendlichen deshalb die Phantasien, die ihn zum Autor machen sollten; immerhin veröffentlichte er seinen ersten Science-Fiction-Roman bereits 1956. Beeinflusst war er von Robert A. Heinlein, und Kneifels Erstling »Uns riefen die Sterne« war ein für damalige Zeiten ordentliches, wenngleich sehr konventionelles Raumfahrer-Abenteuer.
Zahlreiche Romane folgten, teils eigenständig, teils zu kleineren Zyklen sortiert. Zu seinen »Hausverlagen« wurden Pabel in Rastatt und Moewig in München; die »bürgerliche Laufbahn« absolvierte er quasi nebenbei: Kneifel brachte es bis zum Konditormeister, dann studierte er Pädagogik, um daraufhin einige Jahre als Berufsschullehrer tätig zu sein. Doch als die Verlage immer mehr Romane von ihm veröffentlichten, verlegte er sich auf eine Laufbahn als professioneller Autor.
In den Sechziger- und Siebzigerjahren nahm man ihn vor allem als Perry Rhodan - und Atlan -Autor wahr. Farbenprächtige Charaktere wie Sandal Tolk, der Rächer, oder »der Einsame von Terra« prägten seine Werke. Berühmt machten ihn Dutzende von »Zeitabenteuern«, in denen Kneifel die Geschichtsschreibung der Erde durch den Arkoniden Atlan und zahlreiche historische Eingriffe ergänzte. Seine Romane zur Fernsehserie Raumpatrouille und seine weiteren Abenteuer der Orion -Besatzung faszinierten ebenfalls.
Was viele Fans mochten, brachte in den späten Sechziger-und frühen Siebzigerjahren allerdings die Kritiker gegen ihn auf. Sie warfen ihm eine triviale Sprache, kitschige Bilder und Sexismus vor. Kneifel, der zeitweise jede Woche einen Heftroman für die unterschiedlichsten Reihen zwischen Science Fiction, Fantasy, Horror und Abenteuer schrieb, wusste sehr wohl um seine Schwächen, ließ sich aber nicht beirren.
Was die Kritiker seltsamerweise nicht wahrnahmen, war die Tatsache, dass Kneifels Romane mehr Zeitgefühl widerspiegelten als die seiner Kollegen. Aus dem Schwabing der Siebzigerjahre wurde das Künstlerviertel »Atlan Village« in der Perry Rhodan -Serie; Freunde und Bekannte tauchten als Künstler, Gastwirte oder Geheimagenten in der Serie auf. Wie selbstverständlich integrierte Kneifel moderne Kunst und angesagte Musik in seine Romane – er extrapolierte sie in eine ferne Zukunft, die er damit bunt ausgestaltete.
Seine Helden tranken gerne alkoholische Getränke, sie rauchten häufig, sie gingen gerne mit »Mädchen« aus und hinterher auch mit ihnen ins Bett, und wenn ihnen ein Vorgesetzter blöd kam, reagierten sie mit flapsigen Sprüchen und »sarkastischem Grinsen«. Im Zeitgeist der Siebzigerjahre passte das, doch in den Achtzigerjahren wurde es zum Klischee.
Aus dieser Falle befreite sich Kneifel in den Neunzigerjahren selbst, indem er sich zum Autor anspruchsvoller historischer Romane wandelte. Das wohl stärkste und erfolgreichste Werk war »Hatschepsut – die Pharaonin«, das als Hardcover im Franz Schneekluth Verlag erschien. In dem Roman entwarf der Autor ein glaubwürdiges Porträt der Pharaonin Hatschepsut und der Epoche, in der sie regierte. Als erste Frau auf dem Thron musste sie sich stärker
anpassen als alle anderen Herrscher vor ihr; das ging so weit, dass die Herrscherin bei der Krönungszeremonie mit einem künstlichen Bart aufwarten musste.
Weitere historische Romane folgten – Kneifel beleuchtete Babylon und Ägypten, griff die Odysseus-Saga auf und schilderte das Leben des Seefahrers Francis Drake. Und er blieb der Perry Rhodan -Serie treu, auch wenn er sich als Stammautor zurückzog und sich in den Jahren nach 2000 nur noch mit gelegentlichen Gastbeiträgen zu Wort meldete.
Kneifel blieb weiterhin aktiv und engagiert, und nichts deutete darauf hin, dass er so plötzlich sterben würde. Er veröffentlichte weiter historische Romane und begann, sein eigenes Werk zu sichten: mehrere Hundert Romane unterschiedlichster
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