Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
die Pornografie in der Tat eine phantastische Welt zeichnet, in der die Männer immer können und die Frauen immer wollen. Die »realistischen« Szenen zu Beginn – der Handwerker, das Geschäftsmeeting, das Kartenspiel etc. – sind wie ein letzter Verweis auf die wirkliche Welt, bevor die Protagonisten im Kaninchenbau verschwinden und in eine Traumwelt abgleiten, in der die Potenz der Beteiligten auf absurde Spitzen getrieben werden. Alle scheinen
verzaubert, mit Superkräften ausgestattet. Zumindest im konventionellen Sexfilm scheint jegliche »Krise« ausgeschlossen. Kein Wunder, dass die Pornografie wiederum unsere faktischen Sexhandlungen beeinflusst. Zuerst ist also das »Theater« der Pornografie, und selbiges versuchen wir dann nachzuspielen. Wie ja auch etwa das Verhalten wirklicher Ärzte maßgeblich vom Verhalten von fiktiven Ärzten beeinflusst scheint – und nicht zuletzt versteige ich mich in meinem Buch »Nervöse Fische« dazu, zu behaupten, die realen Weißen Haie seien erst im Zuge des Erfolgs von Jaws im Jahre 1975 so auffällig aggressiv geworden. Da könnte man natürlich endlos viel schreiben, etwa über Deep Throat , in dem lange das sehr realistische Problem der Frigidität behandelt wird, um dann aber eine vollends phantastische Lösung zu finden, aber so wichtig ist die Pornografie dann doch wieder nicht. Nicht so schön wie Pullover stricken.
F: Was ist für Sie überhaupt Phantastik?
A: Die Lücke. Die Perforation. Das merkwürdige Loch in der Wand. All die Ritzen in der Welt, aus denen das »Andere« strömt. Keine Monster, keine grünen Männchen, sondern Verdrängtes und Vergessenes, Träume und eine Ahnung vom Jenseits. Und mitunter ein Satz, den man nicht gedacht
hätte, würde man nicht hin und wieder seine Nase unter solche »Ritzen« halten.
F: Ihre Romane leben nicht zuletzt von Landschaftsbeschreibungen und abenteuerlichen Reisen dorthin. Sind Sie ein Schriftsteller imaginärer Reisen, ein Karl May der Phantastik?
A: Na, wenn schon solche Vergleiche fallen, dann bitte eher »ein Adalbert Stifter der Phantastik«, auch wenn das als Werbetext kaum taugen dürfte. Oder wenigstens nicht so gut wie der vorgeschlagene. Hebbel meinte abfällig über Stifters »Nachsommer« : »Was wird hier nicht alles betrachtet und geschildert, es fehlt nur noch die Betrachtung der Wörter, womit man schildert, und die Schilderung der Hand, womit man die Betrachtung niederschreibt.« Also ich denke, das versuche ich nachzuliefern: die Sache mit den Wörtern und der Hand.
F: Wie entstehen diese Landschaften? Reisen Sie? Arbeiten Sie mit Bildbänden? Atlanten? Karten?
A: Ich reise ungerne, siehe oben. Meine Figuren hingegen sind ständig auf Achse, freiwillig oder unfreiwillig. Klar, ich recherchiere auch, aber eigentlich reizt mich mehr, die realen Landschaften zu erfinden, also Orte wie Athen oder den Jemen oder selbst einen Vorortflecken in Wien, an dem ich noch nie gewesen bin, zu imaginieren. Ich denke, dass ich auf die »erfundene« Weise eher an die Wahrheit gelange als auf die »journalistische«. Das macht mich wohl zum Phantasten.
F: Gibt es zum Beispiel Textbezüge, das heißt: Zitieren Sie offen oder verdeckt andere Autoren, arbeiten Sie mit (Reise-) Tagebüchern, in Archiven?
A: Meistens offen, manchmal verdeckt. Das ist eine Frage der Komposition. Reisetagebücher freilich meide ich. Siehe »erfinden«. Auch Archive meide ich, wegen der Schnupfengefahr, die dort herrscht.
F: Arbeiten Sie mit Wörterbüchern?
A: Wörterbücher mag ich sehr. Am liebsten das Bildwörterbuch vom Duden (wohl für Ausländer konzipiert, und ich bin ja Österreicher), ebenso auch Kluges Etymologisches Wörterbuch. Eine Goldgrube.
F: Gibt es Autoren, die ihnen tendenziell nahestehen, von denen Sie lernen, denen Sie nacheifern?
A: Das mag eitel klingen, aber ich bin ganz mit mir selbst beschäftigt. Was ich lese, lese ich nur zum Nutzen meiner eigenen Schriften. Ich greife in die Körbe und picke mir heraus, was ich brauchen kann, um eine gute Suppe herzustellen.
F: Hat es in Ihrer Kindheit ein prägendes Lektüreerlebnis gegeben?
A: Donald Duck. Er ist mir immer noch nah. Das ist schon toll, dass ein so unsympathischer Kerl einen derart begeistern kann. Mein Sohn versteht mich nicht, weil er logischerweise die drei Neffen viel lieber mag, mir aber war von Anfang an der cholerische Onkel der Liebste aus der ganzen Mischpoke.
F: In »Batmans Schönheit« ist der Titelheld ein
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