Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
Kleinkind sogar in der Lage, sich in einen anderen hineinzuversetzen, sich etwa dessen Schmerzen vorzustellen. Dies ist letztlich die Wurzel für Empathie, für unsere soziale Kompetenz. Ich glaube, das ist eine stark ausgebildete Fähigkeit des Menschen.
F: Die wiederum durch seine Evolution bedingt ist.
A: Ja, es betrifft die Entwicklung des Gehirns. Es gibt Thesen, die behaupten, das Gehirn hätte seine Größe erreicht, weil Menschen anfingen, rohes Fleisch zu essen. Eine mir einleuchtendere These ist, dass die menschlichen Populationen anfingen, hochkomplexe, ausdifferenzierte, soziale Organisationen zu schaffen – einfach, um unter den gegebenen Umständen zu überleben –, und dass diese Aufgaben mit enormen Gehirnleistungen verbunden sind. Bei anderen Lebewesen – Vögeln, Wölfen, Delfinen – finden wir ähnliche soziale Fähigkeiten, die man im Rahmen des Turing-Tests als »intelligent« bezeichnen müsste. Nicht dass sie Differenzialgleichungen lösen, sondern dass sie sozial sind. Die »Theory of Mind« als medizinisch-psychologische Forschungsrichtung untersucht, welche Areale an diesen Fähigkeiten beteiligt sind. Das ist auch keine abgedrehte Nischenforschung. Denn Schädigungen des Gehirns, die zum Ausfall solcher Fähigkeiten führen, werden ja nicht nur durch Unfälle herbeigeführt, sondern auch durch Demenzen, für die wir ab achtzig Jahren – oder früher – eine hohe Wahrscheinlichkeit besitzen. Hier sieht man Fähigkeiten in unserem Gehirn, die uns – so hoffe ich – auf lange Zeit noch auszeichnen werden. Aber: Im Prinzip können wir natürlich nicht ausschließen, dass wir Systeme finden, die solche Fähigkeiten übernehmen.
Ich muss lächeln und erinnere mich daran, wie ich mich zum ersten Mal mit Klaus Mainzer unterhielt: Es war 2004
während einer Podiumsdiskussion zum Thema »Künstliche Intelligenz« im Rahmen des Symposiums »Science meets Fiction« in Neustadt an der Weinstraße. Seit damals weiß ich, dass er sich glücklicherweise nicht nur mit dem bereits erreichten Wissensstand in der Technologie zufriedengibt, sondern, da er Science Fiction durchaus schätzt und kennt, auch gerne über zukünftige Entwicklungen nachdenkt. Darum kommt nun genau der Moment, ihn zu fragen …
F: Wie würden diese Systeme Ihrer Meinung nach aussehen?
A: Ich spekuliere mal in Richtung Science Fiction, auch im Anschluss an Überlegungen, die hier in unserem Forschungscluster der Robotik in München angestellt werden. Man beginnt, humanoide Roboter zu entwickeln, die kognitive Fähigkeiten haben und mit uns interagieren sollen. Roboter, die einmal in der Küche agieren, die am Arbeitsplatz aushelfen. Dann müssen sie aber bestimmte Grade von Sensibilität haben. Denn sie dürfen nicht wie Industrieroboter Programme ohne Rücksicht auf die Umwelt abarbeiten. Diese Roboter müssen nicht nur lernen, wie man ein Glas im Unterschied zu einer Eisenstange anfasst, sondern auch, wie man einen Menschen berührt. Hier sind schon Ansätze von Sensibilität und Emotionalität.
F: Auch von Empathie?
A: Ja, sogar davon. Ich könnte mir zum Beispiel nützliche Einsatzgebiete von empathischen Computern vorstellen: Etwa wenn wir am Keyboard nervös die Tasten drücken und heutige Systeme noch stur darauf nicht-reagieren – das System sollte Rücksicht nehmen auf mein Verhalten. Dann haben wir zwar nicht die totale Empathie und Nächstenliebe in einer Maschine realisiert, aber wir haben eine nützliche Funktion auf die Maschine projiziert.
F: Ich greife aus den vielen Punkten, die Sie ansprechen, einen heraus, der mir besonders interessant erscheint: diese Verschmelzung von Technologie, die wir – am Arbeitsplatz und im Haushalt – oft in miniaturisierter Form um uns haben. Etwa Sensoren, die unseren Herzschlag überwachen, oder den Autofahrer unterstützende Systeme. Sie befassen sich ja auch mit der zukünftigen Verschmelzung von Mensch und Maschine zu einem »Superorganismus«. Welche Schritte stehen dorthin noch an, und welche Hürden gibt es am Weg?
A: Das ist eine gute Frage, sie führt uns nämlich weg vom einzelnen Roboter, vom einzelnen Computer, worauf der Turing-Test ursprünglich ja fixiert war. Wobei ich sagen muss: Der einzelne Roboter würde mir noch nicht einmal die maximale Furcht einjagen, denn wenn’s zu schlimm wird, nehme ich ihm seine Batterie ab, und es ist mit seiner Intelligenz zu Ende. Ich will jedoch eine Technologie erwähnen, bei der wir keinen Stecker
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