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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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mehr ziehen können, die bereits da ist und unser gesamtes Leben und unsere Infrastruktur beherrscht.
    F: Sie meinen das Internet …
    A: Genau. Wir haben hier ein Netzwerk, weltweit umspannend, versteckt, das wir gar nicht mehr wahrnehmen. Wir haben nun kleine Endgeräte, zum Beispiel Smartphones – wenn ich die Menschen draußen beobachte, habe ich oft den Eindruck, sie sind mittlerweile mit diesen Geräten verschmolzen. Die Geräte werden gar nicht mehr als Technik wahrgenommen, sondern als Körperteil. Es sind eher Accessoires – wie Lippenstifte oder Uhren.
    F: Eine Technik, die man erst bemerkt, wenn sie fehlt.
    A: Dann kommt man sich regelrecht amputiert vor. Da ist mental eine Verschmelzung längst realisiert. Übrigens können wir in der Neurotechnologie bereits Prothesen bauen, die vom Gehirn nicht mehr als Fremdkörper wahrgenommen
werden. Das ist der direkte Anschluss ans Nervensystem, ans Gewebe. Diese und andere Geräte sind zunächst einmal Endgeräte, die am unsichtbaren, weltumspannenden Netz hängen. Es ist interessant zu sehen, wie diese Technologien – ohne dass die Menschen es merken – auch unsere sozialen Strukturen verändern. Nehmen Sie Facebook: Da werden neue Gruppenstrukturen geschaffen, die es so nie gegeben hat. Dass ein Einzelner einen Bekanntenkreis von einigen Hundert hat, mit denen er durchaus auch kommuniziert. Meine Tochter etwa hat mich vor ein paar Wochen anlässlich ihres Geburtstags mit der Aussage überrascht, sie hätte ein paar Hundert Freunde und Freundinnen informiert – ich dachte im ersten Moment: Hoffentlich kommen die nicht alle zur Geburtstagsparty! (Lacht) Oder, weniger harmlos, dafür umso dramatischer: die Veränderungen, die wir in Nordafrika erlebten. Wo Staaten stürzten, weil eine bestimmte Altersgruppe aus 18- bis 25-Jährigen mit neuen Technologien verbunden ist, informiert ist, sich organisieren kann – unter dem Radar der staatlichen Kontrollen. Das trifft ja nicht nur zu für Diktaturen, sondern auch für Demokratien wie Deutschland. Wir könnten nun eine Debatte führen über unsere Parteienstruktur: Wenn unsere Parteien nicht wahrnehmen, was dort mit der Jugend in Verbindung mit Technologien und Gruppenbildung passiert, dann wird der Staat unterlaufen und die Strukturen der repräsentativen Demokratie sind nicht mehr bodenhaftend. Das Interesse der Jugend an staatlichen Strukturen könnte dann verloren gehen. Das erleben wir mittlerweile weltweit und es zeigt, dass diese enge Verschmelzung keine Science Fiction mehr ist, sondern längst da ist – die Verschmelzung zwischen den technischen Infrastrukturen der modernen Kommunikationstechnologie und der Lebenswelt, der Lebensweise der Menschen. Und es zeigt sich, wie
die staatlichen Strukturen buchstäblich hinterherhinken und den Anschluss verlieren.
     
    Hier zeigt sich nun, dass Klaus Mainzer – obwohl er von der Machbarkeit von Science-Fiction-Ideen überzeugt zu sein scheint – keiner naiven Technologiegläubigkeit das Wort redet. Anders als etwa der US-österreichische Roboterpionier Hans Moravec oder die zahlreichen Transhumanisten nimmt er das soziale und politische Umfeld ernst, in dem sich technologische Umwälzungen abspielen. Überhaupt scheint mir (auch wenn ich es nicht belegen kann), dass deutsche Forscher im Vergleich zu US-amerikanischen oder asiatischen (oder gar österreichischen) stärker gewillt sind, ihre Visionen stets im Kontext des sozial und demokratisch Verträglichen zu denken. Möglicherweise liegt es an der Erfahrung zweier Weltkriege, an der Bewältigung der NS-Zeit oder an Albert Einsteins Mitwirken an der Atombombe – jedenfalls ist es einfach nicht vorstellbar, dass eine bösartige »Killertechnologie« irgendwann zwischen München, Kiel und Berlin entwickelt werden wird. Wie aber sieht es mit der Anwendung bestehender Systeme aus?
     
    F: Der »generation gap« zwischen Staat und Jugend kann einerseits positiv betrachtet werden: wie problemlos sie mit immersiven Technologien, mit unzähligen kleinen »things that think« umgehen. Andererseits beobachte ich aber auch, dass gerade Jugendliche sehr dazu bereit sind, sich freiwillig dieser Technologie zu öffnen und dem Netz, der »cloud«, privateste Informationen anzuvertrauen. Eine der Befürchtungen gegenüber der K.I. ist nun, dass – wenn sie funktioniert, wenn das Internet plötzlich zu denken beginnen würde – diese mit all den angesammelten Daten und verteilten Beobachtungstechnologien zum

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