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Heyne Galaxy 06

Heyne Galaxy 06

Titel: Heyne Galaxy 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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mich.
    Hier das Beispiel eines ganz normalen Tages. Er begann etwa so, kaum daß ich die Augen öffnete:
    »Vergiftetes Essen in Bakers Cafe. Gehen Sie nicht hin. – In Amsterdam hat der Bus Nr. 312 schlechte Bremsen. Fahren Sie besser nicht damit. – Wieder etwas in New York. Gehen Sie nicht in die Reinigung von Mellens. Im Haus dort ist eine undichte Gasleitung, die jeden Augenblick explodieren kann. – In Rom ist ein Straßenbahnunfall der Linie D. Fahren Sie nicht damit. – Zwischen Riverside Drive und dem West Zentralpark schleicht ein tollwütiger Mischling herum. Nehmen Sie in der Gegend ein Taxi.«
    Das war aber erst der Anfang. Bald verbrachte ich den ganzen Tag damit, Dinge nicht zu tun und hier- oder dorthin nicht zu gehen. Überall lauerten Gefahren – Gefahren, von denen ich früher nie etwas geahnt hatte.
    Allmählich keimte in mir der Verdacht auf, daß der Derg übertrieb, um sich bei mir beliebt zu machen. Das schien mir die einzige Erklärung zu sein. Schließlich war ich ja ziemlich erwachsen geworden, ohne jede übernatürliche Hilfe und Schutzengel, ohne durch einen Unfall ums Leben gekommen zu sein. Es war doch merkwürdig, daß die Gefahren auf einmal derart zugenommen haben sollten.
    Eines Abends stellte ich eine entsprechende Frage.
    »Alle meine Berichte sind echt«, antwortete er ein wenig verletzt, wie mir schien. »Wenn Sie das nicht glauben, versuchen Sie morgen in Ihrer Klasse den Lichtschalter anzuknipsen.«
    »Warum?«
    »Ein defektes Kabel.«
    »Ich glaube es ja, bestimmt. Aber mir kommt es so vor, als wäre mein Leben früher nicht so gefährlich verlaufen.«
    »Natürlich ist es das nicht, aber wenn Sie schon die Vorteile des Schutzes durch einen Derg in Anspruch nehmen wollen, dann müssen Sie auch die Nachteile in Kauf nehmen.«
    »Welche Nachteile?«
    »Schutz erzeugt die Notwendigkeit weiteren Schutzes«, entgegnete mein unsichtbarer Schutzengel nach einigem Zögern. »Das ist eine universell gültige Konstante.«
    »Verstehe ich nicht ganz«, gab ich zu. »Vielleicht werden Sie etwas deutlicher.«
    »Bevor wir uns begegneten, erging es Ihnen wie jedem normalen Bewohner Ihres Planeten. Sie lebten in Gefahr, aber Sie erkannten sie nicht immer. Meist ging sie an Ihnen vorüber, ohne daß Sie etwas davon bemerkten. Aber dann trat ich in Ihr Leben. Ihre unmittelbare Umgebung veränderte sich genauso, wie Sie sich innerhalb Ihrer Umgebung veränderten.«
    »Verändern? Wieso?«
    »Weil ich dabei bin. In gewissem Sinn sind Sie ein Teil meiner Umwelt, so wie ich Teil der Ihrigen wurde. Außerdem ist ja wohl allgemein bekannt, daß die Vermeidung von Gefahren die Möglichkeit neuer Gefahren in sich birgt.«
    »Soll das heißen«, fragte ich langsam und mit Betonung, »daß sich die Möglichkeit der Gefahren seit Ihrem Auftauchen vergrößert hat?«
    »Es war unvermeidlich«, seufzte der Derg resignierend.
    In diesem Augenblick hätte ich meinen Derg mit Vergnügen erdrosselt, wenn sich dazu die Möglichkeit geboten hätte, aber leider war er unsichtbar und körperlos. Ich begann zu ahnen, daß man mich hereingelegt hatte.
    »Also gut«, sagte ich endlich beherrscht. »Vielen Dank für Ihre bisherige Hilfe. Auf Wiedersehen auf dem Mars oder sonstwo.«
    »Sie wollen nicht, daß ich Sie weiterhin beschütze?«
    »Nein, ich will nicht, daß Sie mich weiterhin beschützen. Knallen Sie nicht mit der Tür, wenn Sie verschwinden.«
    »Das begreife ich nicht.« Der Derg schien in der Tat ehrlich erstaunt zu sein und meinen Entschluß nicht zu verstehen. »Sicher, die Gefahren für Ihr Leben haben sich vermehrt, aber da ist doch nichts dabei. Gefahren erkennen und ihnen auszuweichen bedeuten Ehre und Ruhm. Je größer die Gefahr, desto größer die Freude, ihr auszuweichen.«
    Zum erstenmal wurde mir klar, was so ein Derg dachte und fühlte. Aber ich war ja kein Derg.
    »Für mich nicht«, eröffnete ich ihm. »Verschwinde!«
    »Ihr Risiko hat sich erhöht, zugegeben, aber ich werde damit fertig. Sie zu beschützen ist mein ganzes Glück. Ohne mich werden Sie früher oder später einem Unfall zum Opfer fallen.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Hören Sie auf! Die Zahl der Unfälle, denen ich zum Opfer fallen kann, wird sich immer weiter erhöhen, und eines Tages …«
    »Sie irren!« unterbrach er mich. »Was die Zahl der möglichen Unfälle angeht, so wurde bereits die erlaubte Höchstzahl erreicht. Sie steigt nicht mehr.«
    »Seltsam«, gab ich zu. »Aber ich werde damit fertig. Es wäre

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