Heyne Galaxy 06
mir lieb, wenn Sie nun abhauen würden.«
»Aber ich habe Ihnen doch gerade erklärt…«
»… daß sich die Zahl der möglichen Unfälle nicht mehr erhöht, sehr richtig. Und wenn ich dann nichts mehr mit Ihnen zu tun habe, werde ich bald wieder in meiner eigenen Umwelt existieren. Wahrscheinlich wird sich dann das Risiko wieder so vermindern, daß ich wie ehemals …«
»Vielleicht«, unterbrach er mich. »Wenn Sie dann noch leben.«
»Darauf lasse ich es ankommen.«
Der Derg überlegte eine Weile, dann sagte er:
»Sie können mich nicht fortschicken. Morgen …«
»Ich will gar nicht wissen, was morgen ist. Wie in meinem früheren Dasein wird es mir gelingen, Unfällen aus dem Weg zu gehen.«
»Ich dachte eigentlich nicht an einen Unfall.«
»Woran denn?«
»Ich weiß nicht recht, wie ich es Ihnen erklären soll.« Es hörte sich so an, als sei er unangenehm berührt, mir die Wahrheit sagen zu müssen. »Ich erwähnte zwar kein weiteres Ansteigen der Zahl der möglichen Unfälle, aber das hat nichts mit der Qualität der künftigen Gefahren zu tun.«
»Was soll denn das nun wieder heißen?« schrie ich ihn aufgebracht an.
»Es soll heißen, daß ein Gamper hinter Ihnen her ist.«
»Ein … was?«
»Wie soll ich einen Gamper beschreiben…? Nun, ein Gamper ist ein Wesen meiner Umwelt. Wahrscheinlich wurde er von Ihrer immer mehr intensivierten Fähigkeit, Gefahren auszuweichen, angelockt. Leider ist das wiederum eine Folge meiner Beschützerrolle.«
»Zum Teufel mit dem Gamper, und zum Teufel mit Ihnen!«
»Gut, ich gehe. Aber nehmen Sie einen letzten Ratschlag an, damit Sie nicht so schnell Ihr Leben verlieren. Wenn der Gamper sich bemerkbar macht, verjagen Sie ihn mit einem Mistelzweig. Oft genügt auch Eisen, wenn es mit Kupfer verbunden ist. Und dann …«
Ich warf mich aufs Bett und schob den Kopf unter die Kissen. Das half. Der Derg begriff. Sekunden später konnte ich spüren, daß er mich verlassen hatte.
Was war ich doch für ein Narr gewesen! Aber sind wir alle nicht nur Menschen? Handeln wir nicht alle nach dem gleichen, idiotischen Grundsatz: wenn man uns etwas schenkt, nehmen wir es – ob wir es nun gebrauchen können oder nicht…?
Auf diese Art und Weise kann man ganz schön in Schwierigkeiten geraten. So wie ich zum Beispiel.
Aber der Derg hatte mich verlassen. Ich würde nun wieder meine Ruhe haben, und die Gefahrenquote würde sich verringern. Mit der Zeit wenigstens. In einigen Wochen, vielleicht, wenn ich Glück hatte …
Irgendwo war ein leises, regelmäßiges Summen.
Es schien in der Luft zu sein und überall. Ich warf die Kopfkissen weg und setzte mich aufrecht ins Bett. Nun war das Summen lauter. Eine Ecke des Zimmers war dunkel, als würde dort alles Licht einfach verschluckt. Eine eisige Kälte wehte mir aus dem Dunkel entgegen.
Jede Erklärung war unnötig. Ich wußte, was das war.
»Derg!« rief ich verzweifelt. »Hilf mir!«
Er war sofort bei mir.
»Ein Mistelzweig«, riet er. »Sie brauchen nur damit zu winken …«
»Wo soll ich jetzt einen Mistelzweig herkriegen?«
»Dann eben Eisen und Kupfer.«
Ich rutschte aus dem Bett und lief zum Schreibtisch. Mein Briefbeschwerer bestand aus reinem Kupfer. Nun noch Eisen! Ich mußte Eisen gegen das Kupfer halten, wenn ich schon keine Legierung hatte.
Das Kupfergewicht befreite sich aus meiner Hand, als würde es von unsichtbaren Händen gehalten. Ich fing es auf, noch ehe es auf den Boden fallen konnte. Gleichzeitig entdeckte ich einen Federhalter mit einer Stahlfeder. Stahl war ja auch Eisen …
Schnell griff ich danach und drückte die Feder gegen den Briefbeschwerer…
Das Dunkel machte dem Licht Platz.
Das Summen verstummte.
Der Gamper war nicht mehr da.
Ich verlor die Besinnung.
Als ich eine Stunde später erwachte, sagte der Derg triumphierend:
»Na, sehen Sie es ein? Sie brauchen meinen Schutz.«
»Vielleicht haben Sie recht«, gab ich zu.
»Und nun besorgen Sie sich einige Dinge – einen frischen Fuchsschwanz, Knoblauch und Friedhofserde. Außerdem …«
»Wozu? Der Gamper ist doch fort.«
»Er kommt wieder. Sie benötigen außerdem Vorbeugungsmittel gegen die Leeper, die Feegs und die Melgerizer.«
Ich bekam nicht heraus, was das war, aber gehorsam notierte ich mir die Namen der Mittel, die ich besorgen sollte. Ich fragte ihn auch nicht, woher er die Namen der angeblichen Schutzmittel kannte, während er auf der anderen Seite nach den Ausdrücken für die einfachsten Dinge suchen mußte und
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