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Heyne Galaxy 06

Heyne Galaxy 06

Titel: Heyne Galaxy 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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selten und unvorstellbar schwierig herzustellen. Meist reicht es nur für eine kurze Warnung vor einer bevorstehenden Gefahr – dann ist die Verbindung wieder weg.«
    Aha, das also war die Erklärung für Tante Annis »Zweites Gesicht«.
    »Eine solche Gelegenheit bietet sich bestimmt erst in hundert Jahren wieder«, versicherte der Derg mit klagender Stimme. »Sie ist an ganz bestimmte Bedingungen geknüpft.«
    Bedingungen? Ach ja, ich hatte fünf Münzen und zwei Schlüssel in der Tasche, und der Abendstern leuchtete. Vielleicht war die ganze Sache wirklich eine wissenschaftliche Untersuchung wert, aber ich würde die Finger davon lassen. Niemand würde mir den Quatsch hinterher glauben. Es hatte keinen Zweck, der Industrie, die Zwangsjacken herstellte, auch noch Vorschub zu leisten. Außerdem waren die Irrenhäuser vollbesetzt.
    »Laß mich gefälligst in Ruhe«, sagte ich laut, wofür ich den verblüfften Blick eines Polizisten einfing, der an mir vorbeistolziert war. Ich grinste ihn dumm an und machte, daß ich weiterkam.
    »Ich verstehe natürlich Ihre Bedenken«, fuhr der Derg fort, »aber ich kann Ihnen versichern, daß ein solcher Kontakt in Ihrem ureigensten Interesse ist. Ich kann Sie vor den tausend Gefahren beschützen, von denen jeder Mensch täglich umgeben ist.«
    Ich gab keine Antwort.
    »Nun gut, ich kann Sie nicht zwingen«, gab der Derg zu. »Ich habe Ihnen nur meine Dienste angeboten, das ist alles. Leben Sie wohl.«
    Ich nickte zufrieden. Aber etwas zu früh.
    »Noch was, mein Freund. Morgen zwischen zwölf Uhr mittags und ein Uhr ist es ratsam, wenn Sie nicht mit der Untergrund fahren.«
    »Warum?«
    »Auf der Station Columbus Circle wird jemand durch einen Unfall getötet. Bei dem Gedränge wird er vor den Zug gestoßen. Der Tote sind Sie, wenn Sie sich dort sehen lassen. Auf Wiedersehen.«
    »Jemand kommt morgen dort um? Sind Sie sicher?«
    »Absolut.«
    »Es wird in den Zeitungen stehen?«
    »Selbstverständlich.«
    »Und … Sie wissen solche Dinge vorher?«
    »Ich weiß sie immer vorher, denn die Zeit ist veränderlich. Ich will Sie vor Gefahren behüten, das ist alles.«
    Ich war stehengeblieben. In meiner Nähe standen zwei Mädchen und kicherten. Sie amüsierten sich darüber, daß ich Selbstgespräche führte. Unbeirrt ging ich weiter.
    »Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, sagte ich. »Können Sie bis morgen abend mit Ihrer Entscheidung warten?«
    »Dann kann ich Ihr Beschützer werden?«
    »Das sage ich Ihnen morgen. Wenn ich die Zeitung gelesen habe.«
    »Einverstanden."
    Es stand drin am anderen Tag.
    Ich las den kurzen Artikel in meinem möblierten Zimmer in der dreizehnten Straße. Ein Mann war von der nachdrängenden Menge gestoßen worden und fiel auf die Gleise. Der gerade einlaufende Zug hatte ihn überfahren.
    Ich dachte über die ganze Geschichte nach, aber sie gefiel mir nicht. Was sollte ich tun? Sein Verlangen, mich zu beschützen, schien echt zu sein. Aber was hatte er davon? Das war es, was mich bedenklich stimmte. Und als mich der Derg eine Stunde später aufsuchte – wenn man es so nennen kann – , verbarg ich ihm meine Zweifel keineswegs.
    »Sie trauen mir also nicht?«
    »Doch, aber ich möchte ein normales Leben führen. Das ist alles.«
    »Es fragt sich, wie lange noch. Denken Sie an den Lieferwagen gestern.«
    »Das war ein Zufall, wie es ihn nur einmal im Leben gibt.«
    »Man stirbt ja auch nur einmal im Leben«, sagte der Derg ernst. »Und was ist mit dem Unfall von Columbus Circle?«
    »Das zählt nicht. Ich hatte nicht die Absicht, mit der Untergrund zu fahren.«
    ›Sie hatten aber auch keinen Grund, nicht zu fahren. Und das ist das Entscheidende. Sie haben ja auch keine Veranlassung, in einer Stunde etwa nicht zu duschen.«
    »Und warum nicht, wenn ich fragen darf?«
    »Eine Miß Flynn – sie wohnt am anderen Ende des Korridors – ist gerade mit dem Baden fertig. Sie hat vergessen, die Seife in die Schale zurückzulegen. Die nasse Seife liegt auf dem Boden, neben der Tür. Wenn Sie baden gehen, werden Sie ausrutschen und sich die Hand verstauchen.«
    »Wäre ja nicht so schlimm, oder?«
    »Kaum. Wenigstens nicht so schlimm wie der schwere Blumentopf, der von einem älteren Herrn demnächst vom Balkon herabgestoßen wird.«
    »Wann passiert das?«
    »Ich dachte, Sie wären nicht interessiert.«
    »Ich bin sogar sehr interessiert. Wann also?«
    »Darf ich Sie beschützen?«
    »Sagen Sie mir nur, warum Sie das tun wollen? Was haben Sie

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