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Heyne Galaxy 09

Heyne Galaxy 09

Titel: Heyne Galaxy 09 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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erwartete. Nach Beendigung des langen und bitteren Kampfes, den Planetenrat zur Aufgabe seines unangebrachten Stolzes zu bewegen und die Erde um Hilfe anzugehen, hatte er sich in einem Hinterstübchen seines Geistes vielleicht vorgestellt, daß irgendein phantastisches Wunderteam in einem interstellaren Raumschiff neuester Bauart auf Landfall landen und das Babyproblem augenblicklich lösen würde.
    Statt dessen …
    Er versuchte seiner Stimme den Klang höflicher Bestimmtheit zu geben und sagte: »Das ist wohl kaum fair ausgedrückt, Mr. Murphy. Die Zukunft unserer Kolonie hing einzig und allein von unseren Nachkommen ab, diese Notwendigkeit brauche ich wohl nicht weiter zu betonen. Was hätten Sie an unserer Stelle getan? Massengräber gegraben und die Babys zu Zehntausenden hineingeschaufelt?«
    »Meinen Informationen zufolge«, erwiderte Murphy, »sind diese Kinder praktisch ohne Verstand, und ihre Zahl soll in die Millionen gehen. Sie dürften der direkte Grund sein für die äußere Vernachlässigung von Gebäuden und Straßen, die ich bereits feststellen konnte. Ich wage nach diesen ersten Eindrücken gar nicht daran zu denken, was ich noch zu sehen bekommen werde. Abgesehen davon ist die durchschnittliche Tageskalorienmenge pro Einwohner in dieser Kolonie geringer als sogar auf der Erde. Das ist ein schockierendes Beispiel für eine nachlässige Kolonieverwaltung, insbesondere im Hinblick darauf, daß unsere Bevölkerung fast so viele Milliarden zählt, wie es hier Millionen gibt. Habe ich recht, oder nicht?«
    »Gewiß! Aber …«
    Lämmergeiers Stirn war inzwischen so feucht von Schweiß, daß er sich nicht mehr zurückhalten konnte. Er bemerkte Murphys Mißfallen an der Tatsache, daß er zum Abwischen seiner Stirn ein Taschentuch benutzte, das er wieder in die Tasche steckte, anstatt es sofort in einen Verbrenner zu werfen, wie es auf der Erde üblich war. Aber er kümmerte sich nicht darum.
    »Hören Sie mir bitte einen Augenblick zu«, sagte er, »während ich Ihnen darzulegen versuche, wie die Angelegenheit in unseren Augen aussieht. Ich bezweifle nicht, daß unsere Katastrophe aus der Sicht der Erde auf eine verfehlte Kolonialpolitik hindeutet, aber …
    Oh, ich werde ganz von vorn beginnen müssen. Landfall wurde in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als Kolonieplanet Zweiter Ordnung zugelassen. Während unserer Immigrationsperiode gab es auch nicht den geringsten, ich wiederhole: nicht den geringsten Zweifel an unserer Annahme, daß sich Landfall als hundertprozentig bewohnbar erweisen würde.«
    »Sie sprachen da eben von ›unserer‹ Annahme«, murmelte Murphy. »Sie waren demnach von Anfang an dabei?«
    Himmel! Sehe ich denn so alt aus?
    Im nächsten Augenblick bemerkte Lämmergeier das verräterische Zucken um Murphys Mundwinkel und verbiß sich die heftige Antwort, die ihm auf der Zunge lag.
    Ein Stichler also. Aber ich werde mich nicht aufregen.
    »Ich gebrauchte dieses Wort, um zu betonen, wie eng sich jeder hier mit den Geschicken der Kolonie verbunden fühlt.«
    Na bitte, war das keine diplomatische Antwort?
    »Es dürfte Ihnen nicht entgangen sein«, fuhr er fort, »daß die Herrschaft im präkolonialen Zeitalter direkt von der Erde ausging und daß die damalige Regierung zweifellos nicht weniger um ihre zukünftigen Auswanderer besorgt war, als es die augenblickliche Regierung ist, von der Sie hierhergeschickt wurden.«
    Hatte Murphy da eben aufgestöhnt? Lämmergeier konnte es nicht sicher sagen. Er hoffte jedenfalls, daß der Hieb gesessen hat und fuhr hastig fort:
    »Die … äh … Epidemie, wenn man sie so nennen kann, begann vor zwanzig Jahren ohne Vorwarnung. Daß die Entwicklung einiger damals geborener Kinder keinen normalen Verlauf nehmen würde, war ja nun wirklich nicht vorauszusehen, nicht wahr?«
    »Sie haben da eben einen Begriff auf eine Weise interpretiert, die ich nicht für möglich gehalten hätte«, warf Murphy ein. »Vier Millionen bezeichnen Sie als ›einige‹?«
    »Es waren nicht sofort vier Millionen!« Lämmergeiers Gesicht rötete sich. »Die ganze Sache zieht sich nun schon über zwanzig Jahre hin.«
    »Und in dieser gewiß nicht kurzen Zeit ist auf diesem Planeten kein einziges normales Kind zur Welt gekommen?«
    »N-nein«, flüsterte Lämmergeier, dem dieses Geständnis nicht leichtfiel.
    Aus Murphys Sicht mußte es reiner Wahnsinn sein, in einer derart verfahrenen Situation noch um Hilfe zu bitten. Doch wie konnte er diesem Mann die wirkliche

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