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Heyne Galaxy 09

Heyne Galaxy 09

Titel: Heyne Galaxy 09 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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Lage deutlich machen? Selbst er, der die langen und bitteren Diskussionen im Rat schließlich zu seinen Gunsten entschieden hatte, selbst er fühlte sich heftig von dem Gedanken abgestoßen, die Babys umzubringen und mit einer Generation adoptierter Kinder neu zu beginnen. Das jedenfalls war der durchgreifendste Vorschlag, der in der Debatte geäußert worden war, aber auch der vielversprechendste. Und wie treffend wurde hierdurch die Lage der Kolonie umrissen!
    Und wenn mit den Nachkommen der adoptierten Kinder nun dasselbe passiert?
    Murphy hatte seinen Blick erneut durch den Raum schweifen lassen und deutete jetzt auf eine verblichene Statistik, die hinter Lämmergeier an der Wand hing.
    »Was ist das?« fragte er.
    Lämmergeier fuhr herum und riß überrascht die Augen auf. Das Blatt befand sich bereits seit Urzeiten dort, so daß ihm sein Vorhandensein nicht mehr bewußt geworden war – es gehörte einfach zum Hintergrund.
    Erstaunt erwiderte er: »Oh, das ist eine Übersicht über die Entwicklung der Epidemie von ihrem ersten Auftreten bis zu ihrer weitesten Verbreitung.«
    »Wobei das gesamte Gebiet des Planeten erfaßt wurde?«
    »Äh … ich fürchte, ja«, gestand Lämmergeier kläglich.
    »Phantastisch«, murmelte Murphy. »Ich habe bei meiner Vorbereitung eine Handvoll Werbematerial über Landfall in die Hand bekommen, das während der Immigrationsperiode herausgegeben wurde. Da ergibt sich doch wirklich ein trauriger Unterschied zum tatsächlichen Stand der Dinge. Aber reißen wir die alten Wunden nicht wieder auf. Ich werde mir die Konsequenzen des Phänomens mit eigenen Augen ansehen müssen.«
    Es gab natürlich nur einen Ort, wohin er seinen Besucher führen konnte, und Lämmergeier brachte ihn dorthin – in einem keuchenden alten Wagen, den nur Bindfaden, Draht und die geduldige Fürsorge seines achtzigjährigen Fahrers noch zusammenhielten.
    Murphys Bemerkungen hatten Lämmergeier plötzlich auf eine andere Tatsache aufmerksam gemacht, und er machte sich schockiert klar, daß Landfall ein Planet voller alter Leute war.
    Auf ganz Landfall gab es keinen gesunden Menschen unter vierzig. Und die jüngsten waren auf die gleiche Weise vierzig, wie er sechzig war; sie sahen alt aus, fühlten sich noch älter und standen mit einem Bein bereits im Grab.
    Er verbannte diesen Gedanken aus seinem Gehirn und machte seinen Besucher auf ein Gebäude aufmerksam, das jetzt vor dem Wagen auftauchte.
    »Das ist das Babyheim für die Hauptstadt und Umgebung«, sagte er. »Es ist augenblicklich mit rund achttausend Babys belegt. Aber Sie sehen selbst, daß wir bereits anbauen.«
    Murphy runzelte nur die Stirn und sagte nichts.
    Er schwieg auch noch, als sie die Halle des Gebäudes betraten. Lämmergeier hatte keine Gelegenheit gehabt, die Belegschaft auf sein Kommen vorzubereiten – die Telefonkabel funktionierten wieder einmal nicht, und vor nächster Woche war niemand frei, um sie zu reparieren.
    Auf diese Weise wurden sie gleich bei ihrer Ankunft Zeugen eines Ereignisses, das typisch für die ganze Katastrophe Landfalls war.
    Am Empfangstisch, flankiert von zwei uniformierten Polizisten, stand eine kleine Frau in einem abgetragenen Kleid. Sie klammerte sich verzweifelt an ein Kind von etwa sechs oder sieben Jahren, das bereits viel zu schwer für sie war, das sie aber trotzdem auf den Armen trug. Vor ihr stand eine Krankenschwester mit einem müden Gesicht und daneben ein älterer Arzt in einem Kittel, der einmal weiß gewesen war.
    Lämmergeier flüsterte Murphy zu: »Warten Sie bitte einen Augenblick. Ich werde den Heimleiter bitten, Sie persönlich herumzuführen.«
    »Nein!« Murphy hob die Hand und ließ sich nicht von der Szene am Empfangstisch ablenken. »Was geht da vor?«
    »Ich nehme an, daß sie ihr Kind bisher versteckt hat«, erklärte Lämmergeier. »Trotz der Tatsache, daß keine normalen Kinder mehr zur Welt kommen, scheinen wir gegen den Mutterinstinkt nichts machen zu können. Ich nehme an, daß hier zwei Dinge mitbestimmend sind: erstens unser instinktiver Widerstand, unangenehmen Tatsachen ins Auge zu sehen und diese nutzlosen Kinder irgendwie zu beseitigen, und zweitens die Weigerung zahlreicher Frauen, sich von ihren Kindern zu trennen.
    Natürlich wäre es volkswirtschaftlich nicht zu vertreten, sie bei ihren Eltern zu lassen. Die Wirtschaft unseres Planeten steht bereits auf ziemlich schwachen Füßen. Wenn wir die Arbeitskraft unserer Bevölkerung nun noch dadurch herabsetzen würden,

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