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Heyne Galaxy 10

Heyne Galaxy 10

Titel: Heyne Galaxy 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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Garderobe mit Modellen für alle Gelegenheiten schon der reinste Kannibalismus.
    »Du und dein Puppenschrank!« pflegte sie mir vorzuhalten. »Wie kannst du von einem Mädchen erwarten, daß es dich heiratet, wenn es sich jeden Morgen auf ein anderes Gesicht bei dir gefaßt machen muß?«
    Sie übertrieb natürlich, aber das war nun mal die Art dieser Organo-Republikaner. Von Logik wollten sie nichts wissen. Oder war es denn nicht vernünftig, seinen organischen Körper in amtlicher Verwahrung zu belassen, wo er sicher und wettergeschützt lag und gut versorgt wurde, während ein bequemer Servo – neuestes Modell – das Gehen und Sprechen an seiner Stelle übernahm? Schon unsere Großeltern hatten es für sicherer und einfacher gehalten, vor dem Fernsehschirm mit seiner Gefühls- und Geruchsautomatik sitzen zu bleiben, anstatt sich auf der Straße in den Menschenmengen die Köpfe einzurennen. Schon kurz darauf kamen die Kontaktschirme auf den Markt, die der Form des Augapfels angepaßt werden konnten, und zusammen mit dem Ohrradio ergab sich auf diese Weise ein sehr unmittelbares Verhältnis zu den gebotenen Programmen. Die fortschreitende Entwicklung und insbesondere die Erfolge in der Mikrotechnik und Kurzwellenübertragung versorgten schließlich jeden Bürger mit einem kleinen Gerät, das für ihn auf die Straße gehen und sich umsehen konnte, während er sich zufrieden auf dem Sofa räkelte.
    In der Folge verbrachten die Menschen einen Großteil ihrer Zeit, ohne sich zu bewegen, so daß die Gesundheitsbehörden mit einem speziellen Versorgungsdienst einspringen mußten, um den organischen Körper gesund zu erhalten. Dabei begnügte man sich zuerst mit besonderen Bewegungsübungen, Heimmassagen und Ernährungspräparaten, aber schon kurz darauf wurde die ›Zentrale Verwahrung‹ eingeführt.
    Schon vorher hatte die Regierung eine Unzahl von Daten über jeden Bürger gesammelt – von der Geburtsurkunde bis zu den Fingerabdrücken. Warum sollte sie nicht noch einen Schritt weiter gehen und auch seinen Körper in Verwahrung nehmen?
    Natürlich hatte niemand mit der nun folgenden Entwicklung gerechnet, die durch die erstaunliche Verbesserung der sinnesmäßigen Aufnahme- und Übertragungsgeräte bedingt wurde. Ich beziehe mich hier auf das Phänomen, das die Wissenschaftler als ›Persönlichkeitsübertragung‹ bezeichnen. Für jeden Menschen hatte das Bewußtsein bisher immer irgendwo ›hinter den Augen‹ gesessen; wenn man also die Augenlider in direkte Verbindung mit einem Servo brachte und die anderen Sinne damit verband – befand man sich plötzlich in diesem Servo. Das Gehirn, durch Drogen künstlich beruhigt, war nach wie vor in der Verwahrung, während man selbst – das, was man als ›Geist‹ bezeichnen könnte – sich im Servo aufhielt und ihn mit Leben erfüllte.
    Und damit waren die bisherigen Modelle natürlich hoffnungslos veraltet. Die Leute verlangten nun nach Servos, die auch etwas darstellten, die nach Möglichkeit den Menschen schufen, als den man sich schon immer gesehen hatte. Plötzlich konnte jeder entsprechend seinem Geldbeutel so groß und kräftig sein, wie er nur wollte. Das brachte es mit sich, daß auch in den Beziehungen der Menschen untereinander bestimmte Veränderungen eintraten. Wo man bisher vorsichtig und zurückhaltend gewesen war, brauchte man sich jetzt nachts mehr gefallen zu lassen und konnte es sich leisten, mit dem anderen direkt abzurechnen. Hierzu mußten natürlich entsprechende neue Verordnungen vom Rechts-Zentrum erlassen werden, und wenn man jetzt von einem Mitbürger beleidigt oder vom Schnellsteig gestoßen wurde, trug man seinen Händel unter der Aufsicht eines amtlichen Schiedsrichters mit den Fäusten aus.
    Julie war natürlich der Meinung, daß das alles Unsinn wäre; daß zwei Servos, die aufeinander losdroschen, eigentlich gar nichts bewiesen. Sie verstand es einfach nicht, daß man durch den Übertritt des Geistes in die Maschine praktisch zum Servo wurde. Wie zum Beispiel jetzt.
    Der Ober hatte mir soeben einen Teller Consomme au Beurre Blanc serviert. Mein teurer Yumgum-Gaumen würde dieser Suppe einen solchen Geschmack verleihen, als genösse ich sie mit meinem natürlichen Mund. Natürlich war diese Flüssigkeit eine besondere Mischung, die meine Antriebsmechanik reinigen und im übrigen einige wertvolle Zusätze für meine Schmierdrüsen liefern würde. Aber der Geschmack war zweifellos vorhanden.
    In der Zwischenzeit befand sich mein

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