Heyne Galaxy 14
Königswasser nimmt an der Parade teil, allerdings als baumlanger Cowboy, der in der Lage ist, Bierdosen zwischen Daumen und Zeigefinger zusammenzudrücken.
Königswasser benimmt sich oft wie ein kleines Kind. Das Spiel mit den Bierdosen bekommt er niemals satt, und fast immer müssen wir nach der Parade in unseren Körpern um ihn herumstehen, seinen Spielereien zuschauen und so tun, als wären wir beeindruckt
Ich glaube nicht, daß er mit seinem alten Körper früher viel zusammendrücken konnte.
Weil er der große alte Mann der Amphibischen Zeit ist, wagt ihn niemand darauf anzusprechen, aber er geht mit seinen Körpern nicht sehr sanft um. Regelmäßig bringt er sie beschädigt wieder ins Bewahrzentrum zurück, so daß jemand den Körper eines Arztes beleben und das Opfer wieder zusammenflicken muß. Königswasser liebt es eben, sich zu produzieren.
Diese Feststellung soll in keiner Weise eine Herabsetzung sein, zumal man jemandem, den man als kindisch bezeichnet, in gewisser Weise sogar eine Ehre erweist, denn es sind zumeist solche Leute, die die wirklich bedeutenden Ideen dieser Welt haben.
In der Historischen Gesellschaft gibt es ein altes Bild von ihm, das erkennen läßt, wie wenig er auch damals schon erwachsen war – jedenfalls was das Interesse an seinem Äußeren angeht. Abgesehen davon, daß er mit seinem klapprigen Körper ohnehin nicht viel hätte anfangen können.
Er trug das Haar so lang, daß es ihm über den Kragen hing, seine Hosenbeine schleiften über den Boden, und der Saum seines Mantels war zerfranst. Oft vergaß er die Mahlzeiten völlig und lief in Wind und Wetter herum, ohne sich warm anzuziehen. Von einer Krankheit nahm er überhaupt erst Notiz, wenn sie ihn fast umgebracht hatte. Er war ein typisches Beispiel für einen zerstreuten Gelehrten. Im Rückblick heißt es heute natürlich, daß er die ersten Schritte auf dem Wege zur amphibischen Lebensform machte.
Königswasser war Mathematiker, dessen Leben sich auf die Gehirntätigkeit beschränkte. Der Körper, den der wunderbare Geist mit sich herumschleppen mußte, war ihm überflüssiger Ballast. Wenn er gelegentlich krank wurde und um eine nähere Beschäftigung mit seinem Körper nicht herumkam, pflegte er seine Meinung so zu formulieren:
»Der Geist ist der einzige Teil eines menschlichen Wesens, der einen Wert besitzt, und ich verstehe nicht, warum er mit einer nutzlosen Last aus Haut, Blut, Haaren, Fleisch, Knochen und Venen ausgestattet ist! Kein Wunder, daß die wenigsten etwas zuwege bringen, wenn sie die ganze Zeit über mit einem Parasiten kämpfen, der ständig mit Nahrung vollgestopft und vor Wettereinflüssen und schädlichen Bakterien beschützt werden muß. Und das Schlimmste ist, daß sich das verdammte Ding abnutzt, wie sehr man sich auch darum kümmert!
»Wer«, pflegte er mit hochgezogenen Augenbrauen fortzufahren, »will denn so ein Ding? Was ist Wunderbares am Protoplasma, daß wir soviel davon mit uns herumschleppen müssen, wohin wir auch gehen? Die Probleme dieser Welt hängen nicht damit zusammen, daß es zu viele Menschen gibt, sondern daß zu viele Körper auf ihr herumlaufen!«
Als er sich sämtliche Zähne ziehen lassen mußte und kein Gebiß fand, das seinen Wünschen entsprach, schrieb er in sein Tagebuch: »Wenn es der lebenden Materie dieses Planeten gelungen ist, im Zuge seiner Entwicklung den Ozean zu verlassen, der eigentlich nicht der schlechteste Lebensraum war, sollte sie in der Lage sein, einen weiteren Schritt zu machen und auch ihre Körper zurückzulassen, die doch nur eine Plage sind.«
Eigentlich hatte er keine große Hoffnung, daß sich dieser Wunsch noch zu seinen Lebzeiten erfüllen würde.
Er war gerade mit diesem Problem beschäftigt, als er eines Tages in Hemdsärmeln durch den städtischen Zoo spazierte, am Löwenkäfig stehenblieb und der Fütterung zuschaute. Später wanderte er langsam durch den Regen und stellte plötzlich interessiert fest, daß sich einige Feuerwehrleute am Ufer eines kleinen Sees um einen Mann bemühten, der offensichtlich ertrunken war. Man machte Wiederbelebungsversuche.
Nach Zeugenaussagen war der alte Mann direkt in den See gegangen und schließlich unter der Wasseroberfläche verschwunden, ohne das Gesicht zu verziehen oder sich umzusehen. Königswasser warf einen Blick auf das Gesicht des Opfers und fand, daß er in seinem ganzen Leben noch keinen besseren Selbstmordgrund gesehen hätte. Er machte sich auf den Heimweg, wobei ihm erst vor
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