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HHhH

HHhH

Titel: HHhH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Binet Laurent
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mindesten überrascht, weil die Sozialisten seiner Ansicht nach von jeher Betrüger gewesen sind. Es läge in ihrer Natur, sich mit dem Feind zu verbünden. Er hat immer haufenweise Beispiele parat. In diesem Fall würde er sich darauf berufen, dass ein Sozialist die Spartakusrevolution niederschlug und Rosa Luxemburg ermorden ließ – von Freikorpsoffizieren.
    Ich könnte mehr Einzelheiten zu Heydrichs Engagement in diesen Freikorpstruppen preisgeben, aber das erscheint mir unnötig. Es reicht zu wissen, dass er während seiner Zeit dort den «Truppen der technischen Nothilfe» angehörte. Ihre Aufgabe bestand darin, die Besetzung von Fabriken zu verhindern und das reibungslose Funktionieren der öffentlichen Betriebe im Falle eines Generalstreiks zu garantieren. Schon damals diese ausgeprägte Staatstreue!
    Das Schöne an wahren historischen Ereignissen ist, dass man sich keine Gedanken über eine realistische Darstellungsweise zu machen braucht. Ich muss diese Lebensphase des jungen Heydrich gar nicht groß ausschmücken. Zwischen 1919 und 1922 wohnt er immer noch bei seinen Eltern in Halle (Halle an der Saale, ich habe mich schlaugemacht). Während dieser Zeit erhalten die Freikorps immer mehr Zuwachs. Eines dieser Freikorps ist aus den ehemaligen «weißen Truppen» des Korvettenkapitäns Ehrhardt hervorgegangen. Erkennungszeichen der Marinebrigade Ehrhardt sind die Stahlhelme mit Hakenkreuz, ihr Kampflied lautet entsprechend Hakenkreuz am Stahlhelm. Damit ist auch schon ein Bühnenbild erschaffen, das jede noch so ausführliche Beschreibung um Längen übertrifft, finde ich.

21
    Es herrscht Krisenstimmung, Deutschland wird von einer Welle der Arbeitslosigkeit überschwemmt, die Zeiten sind hart. Der kleine Heydrich träumte davon, Chemiker zu werden, seine Eltern hofften, einen Musiker aus ihm zu machen. Doch in Krisenzeiten stellt die Armee die sicherste Option dar. Heydrich ist fasziniert von den Entdeckungsfahrten des legendären Admirals von Luckner. Besagter Admiral ist ein Freund der Familie, der sich selbst den Beinamen «Seeteufel» verliehen hat – in dem gleichnamigen Bestseller über seine Heldentaten. Heydrich tritt in die Marine ein. An einem Morgen im Jahr 1922 stellt sich der großgewachsene junge blonde Mann bei einer Offiziersschule in Kiel vor. In der Hand hält er einen schwarzen Geigenkasten, den ihm sein Vater geschenkt hat.

22
    Auf dem deutschen Marinekreuzer Berlin ist Admiralstabsoffizier Wilhelm Canaris Erster Offizier. Canaris ist ein Held des Ersten Weltkriegs, ehemaliger Geheimagent und zukünftiger Chef der Spionageabwehr der Wehrmacht. Seine Frau spielt Violine und veranstaltet jeden Sonntag einen Musikabend in ihrem Haus. Im Streichquartett ist ein Platz frei geworden. Der junge Heydrich, der auf der Berlin angeheuert hat, erhält das Angebot, das Orchester zu vervollständigen. Er spielt offenbar gut, und seine Gastgeber schätzen – im Gegensatz zu seinen Kameraden – seine Gesellschaft. Er wird Stammgast bei Frau Canaris’ Musikabenden und lauscht dort den Erzählungen seines Vorgesetzten, die ihn schwer beeindrucken. «Spionage!», denkt er und träumt vor sich hin.

23
    Heydrich ist ein schneidiger Offizier der Kriegsmarine und ein furchterregender Fechter. Sein Ruf als Draufgänger bei sportlichen Wettkämpfen hat ihm den Respekt seiner Kameraden verschafft, wenn auch nicht deren Freundschaft.
    In Dresden findet in jenem Jahr ein Wettkampf für deutsche Offiziere statt. Heydrich tritt am Säbel an, der brutalsten Waffe überhaupt, seiner Spezialität. Im Gegensatz zum Florett, bei dem nur die Spitze zum Stoß eingesetzt wird, geht man beim Säbel mit der Schneide auf Hieb und Stoß, und die wie Peitschenschläge ausgeführten Hiebe sind unvergleichlich gewalttätiger. Der Körpereinsatz der Säbelkämpfer ist ebenfalls spektakulärer. All das kommt dem jungen Heydrich sehr zupass. An jenem Tag gerät er jedoch schon in der ersten Runde in arge Bedrängnis. Wer ist sein Gegner? Meine Recherchen haben diesbezüglich nichts ergeben. Ich stelle mir einen Linkshänder in Quart-Position vor; er ist wendig, gewieft und dunkelhaarig, wahrscheinlich kein Jude, das wäre wohl zu viel des Guten. Ein Spieler, der sich nicht beeindrucken lässt; er weicht aus, entzieht sich dem Kampf und reiht eine Körperfinte an die nächste, wobei jede für sich eine kleine Provokation darstellt. Trotzdem gilt Heydrich weithin als Favorit. Doch er wird immer gereizter, seine Hiebe verfehlen

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