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HHhH

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Titel: HHhH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Binet Laurent
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mehr oder weniger die Nummer zwei in der Regierung. Um das Abkommen, das er mit Kennedy unterzeichnen soll, nicht zu gefährden, beabsichtigt Hitler, alle Teilnehmer der Versammlung endgültig verschwinden zu lassen. Er will sichergehen, dass seine damaligen Anweisungen niemals ans Licht kommen. An jenem 20. Januar 1942 wurde die Endlösung offiziell von allen in irgendeiner Weise zuständigen Ministern abgesegnet. Unter dem Vorsitz Heydrichs, unterstützt von seinem treuen Referenten für «Judenangelegenheiten» Eichmann, wurde die Ausrottung von elf Millionen Juden durch Vergasen geplant.
    Einer der Teilnehmer, Franz Luther, Repräsentant des Außenministeriums unter Ribbentrop, möchte nicht sterben. Er besitzt unwiderlegbare Beweise für den Genozid an den Juden und beabsichtigt, sie den Amerikanern im Austausch gegen politisches Asyl zu überlassen. Bis dato weiß niemand auf der Welt von dem Genozid: Offiziell wurden die europäischen Juden zwar deportiert, aber in der Ukraine angesiedelt. Deren Nähe zur russischen Front hindert internationale Beobachter effektiv daran, sich vor Ort zu begeben und die Lage zu überprüfen. Kurz bevor Luther ermordet werden soll, kontaktiert er die amerikanische Reporterin. Ihr gelingt es in letzter Minute – als Hitler bereits darauf wartet, Kennedy in großem Stil zu empfangen –, dem amerikanischen Präsidenten die brisanten Dokumente zuzuspielen. Sofort wird das Treffen zwischen Hitler und Kennedy abgesagt, die USA nehmen den Kampf gegen Deutschland wieder auf, und mit zwanzig Jahren Verspätung stürzt das Dritte Reich schließlich in sich zusammen.
    In dem Film wird die Wannseekonferenz als Geburtsstunde der Endlösung dargestellt. Sicher, die Entscheidung wurde nicht am Wannsee getroffen. Sicher, Heydrichs Einsatzgruppen töten bereits Hunderttausende an der Ostfront. Doch während der Wannseekonferenz wird der Völkermord offiziell besiegelt. Nun geht es nicht mehr darum, die Aufgabe mehr oder weniger unauffällig (sofern man Tausende Menschen unauffällig umbringen kann) einzelnen Tötungseinheiten zu überlassen, sondern alle politischen und ökonomischen Infrastrukturen des Regimes in den Dienst des Genozids zu stellen.
    Die Konferenz selbst dauerte nur knapp zwei Stunden. Zwei Stunden, in denen die juristischen Fragen geklärt werden mussten: Was sollte mit den Halbjuden geschehen? Mit den Vierteljuden? Mit den Juden, die für ihre Dienste im Ersten Weltkrieg ausgezeichnet worden waren? Mit den Juden, die mit einer Deutschen verheiratet sind? Musste man die arischen Witwen dieser Juden entschädigen, indem man ihnen eine Pension zusprach? Wie in allen Versammlungen waren die Entscheidungen, die tatsächlich getroffen wurden, bereits im Vorfeld entschieden worden. Für Heydrich ging es nur darum, alle Minister des Reiches darüber zu informieren, fortan auf ein einziges Ziel hinzuarbeiten: die physische Vernichtung aller europäischen Juden.
    Vor mir liegt Heydrichs Übersicht, die er an die Teilnehmer der Konferenz verteilte und in der die Anzahl der Juden aufgeführt wird, die aus den jeweiligen Ländern «evakuiert» werden sollten. Die Übersicht ist zweigeteilt. Der eine Teil umfasst die Länder des Reiches, darunter Estland, das bereits «judenfrei» sein soll, während das Generalgouvernement (sprich: Polen) noch über zwei Millionen Juden beherbergt. Der zweite Teil vermittelt einen Eindruck davon, welch starker Optimismus Anfang 1942 noch unter den Nazis vorherrschte. Er umfasst die Satellitenstaaten (Slowakei 88 000 Juden, Kroatien 40 000 Juden …), alliierte (Italien inklusive Sardinien 58 000 Juden …), aber auch neutrale Staaten (Schweiz 18 000, Schweden 8000, der europäische Teil der Türkei 55 000, Spanien 6000 …) und feindliche Staaten (in Europa gibt es zu jenem Zeitpunkt nur noch zwei: die UDSSR, in die bereits größtenteils einmarschiert wurde: fünf Millionen Juden, davon in der bereits vollständig okkupierten Ukraine rund drei Millionen. Und England: 330 000 Juden, hier kann von einer Okkupation noch lange nicht die Rede sein). Es war vorgesehen, die Länder entweder mit Überredungskraft oder Gewalt dazu zu bringen, ihre Juden zu deportieren. Die Gesamtsumme unten auf der Seite: mehr als elf Millionen. Die Mission wird mehr als zur Hälfte erfüllt werden.
    Eichmann berichtete, was sich nach der Konferenz abgespielt hat. Nachdem die Repräsentanten der Ministerien bereits aufgebrochen waren, blieben nur noch Heydrich und

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