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HHhH

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Titel: HHhH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Binet Laurent
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vertreiben, wird er seine kleineren Aufträge nicht vernachlässigen.

164
    Eintrag aus Goebbels’ Tagebuch vom 21. Januar 1942:
    «Heydrich hat nun seine neue Protektoratsregierung eingerichtet. Hácha hat die von ihm gewünschte Solidaritätserklärung mit dem Reich abgegeben. Die Politik, die Heydrich im Protektorat betrieben hat, ist als geradezu vorbildlich anzusprechen. Er ist der dortigen Krise mit Leichtigkeit Herr geworden, und die Folge davon ist, dass sich das Protektorat augenblicklich in der besten Stimmung befindet, sehr im Gegensatz zu anderen besetzten und angeschlossenen Gebieten.»

165
    Wie jeden Tag gibt sich Hitler endlosen Monologen hin und donnert seiner fügsam schweigenden Zuhörerschaft seine politischen Analysen entgegen. Während seines unkontrollierten Redeflusses erwähnt er auch die Situation im Protektorat: Neurath habe sich von den Tschechen völlig an der Nase herumführen lassen. Wenn diese Regierungsweise weitere sechs Monate andauere, werde die Produktion um fünfundzwanzig Prozent zurückgehen. Weiter führt er aus:
    «Der Tscheche ist von allen Slawen der gefährlichste, weil er fleißig ist. Er hat Disziplin, hat Ordnung […]. Hinter einer gewissen Loyalität weiß er seine Pläne zu verbergen. Sie werden jetzt arbeiten, weil sie wissen, dass wir unbarmherzig und brutal sind.»
    Es ist seine Art, mitzuteilen, dass er mit Heydrichs Arbeit sehr zufrieden ist.

166
    Kurze Zeit darauf empfängt Hitler Heydrich in Berlin. Heydrich findet sich also in Gegenwart von Hitler wieder oder umgekehrt. Hitler schwadroniert, man könne das Tschechenproblem nur mit einer geradlinigen Politik in den Griff bekommen. Ein Großteil der Tschechen sei germanischen Ursprungs und somit möglicherweise rückdeutschungsfähig.
    Auch damit will er wieder ausdrücken, dass er die Arbeit seines Mitarbeiters gutheißt. Er weiß Heydrich ganz besonders zu schätzen – in ähnlichem Maße wie Speer, allerdings auf eine ganz andere Weise.
    Mit Speer kann er über andere Sachen sprechen als über Politik, Krieg und die Juden. Er diskutiert mit ihm über Musik, Malerei, Literatur und verleiht mit seiner Hilfe Germania, dem zukünftigen Berlin, Gestalt. Gemeinsam haben sie die Pläne dafür gezeichnet, und seinem genialen Architekten obliegt die Aufgabe, sie aus der Erde sprießen zu lassen. Bei Speer kann Hitler frische Luft tanken. Er bietet ihm Zerstreuung, ist sein Fenster zu einer Welt außerhalb des nationalsozialistischen Labyrinths, das er geschaffen hat und in dem er abgeschottet lebt. Natürlich ist Speer hundertprozentig linientreu und widmet sich voll und ganz der Sache. Seit seiner zusätzlichen Ernennung zum Rüstungsminister bringt Hitlers offizieller Architekt seine Intelligenz und sein ganzes Talent in die Reorganisation der Industrie ein. Seine Loyalität und Effizienz sind über jeden Zweifel erhaben. Doch Hitler bevorzugt ihn nicht aus diesem Grund. Was die Loyalität angeht, ist Himmler, sein «treuer Heinrich», unschlagbar. Und was die Effizienz angeht, zweifellos ebenfalls … Doch Speer hat einfach mehr Klasse, ist in allen Situationen weltgewandter. Andererseits ist er einer von jenen Intellektuellen, die Hitler, der verhinderte Künstler und ehemalige Münchner Stadtstreicher, eigentlich verabscheuen müsste. Doch Speer gibt ihm etwas, das er zuvor von niemandem bekommen hat: die Freundschaft und Bewunderung eines brillanten Mannes, dessen soziale Ungezwungenheit ihm ermöglicht, in seiner Gegenwart als ebenso brillant und weltgewandt wahrgenommen zu werden.
    Die Gründe, aus denen Hitler Heydrich zugetan ist, sind ganz offensichtlich andere, sogar entgegengesetzte. So wie Speer die Elite der «normalen» Welt verkörpert, der Hitler niemals angehörte, ist Heydrich der Prototyp des perfekten Nationalsozialisten: groß, blond, grausam, absolut obrigkeitshörig und von mörderischer Effizienz. Die Ironie des Schicksals will es, dass laut Himmler jüdisches Blut in seinen Adern fließt. Doch die offenkundige Härte, mit der er gegen diesen verderbten Teil seiner selbst erfolgreich ankämpft, beweist in Hitlers Augen, dass sein arisches Wesen über das jüdische triumphiert. Und sollte Hitler tatsächlich glauben, dass Heydrich jüdische Wurzeln besitzt, dürfte es für ihn umso genussvoller sein, ihn zum Todesengel des israelischen Volkes zu machen, indem er ihm die Verantwortung für die Endlösung anvertraut.

167
    Ich kenne diese Bilder gut: Himmler und Heydrich in Zivilkleidung

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