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gehörten zu den «Germanen»; Nahost und Afrika würden mit den Italienern geteilt; die Russen «werden hinter den Ural zurückgejagt», ihr Land von deutschen «Wehrbauern» besiedelt. «Der Ural wird unsere Ostgrenze. Dort werden unsere Rekruten künftig ihr Jahr abdienen und als Grenzwachen im Kleinkampf geschult.» Wer den Kampf nicht «rückhaltlos» mittrage, könne gehen: «Ich werde ihm nichts tun.»
Im Wahn seiner Gewaltherrschaft hält sich Heydrich wie sein Führer schon für den Weltbeherrscher. Doch noch gilt es, den Krieg zu gewinnen, die Russen zu besiegen und eine ellenlange Liste von Thronfolgern auszuschalten. Selbst aus dem optimistischsten Blickwinkel und angesichts der Tatsache, dass Heydrichs Stern in der tiefschwarzen Nacht des Reiches immer heller scheint, ist es dafür noch zu früh.
Es ist bekannt, dass unter Hitlers Kronprinzen von Anfang an ein erbitterter Konkurrenzkampf tobte. Wo sah sich Heydrich wohl selbst positioniert? Viele, die die bösartige Aura seiner Figur fasziniert, behaupten angesichts seines kometenhaften Aufstiegs, dass Heydrich Hitlers Nachfolger geworden wäre, wenn er ihn nicht schon vorher von seinem Posten verdrängt hätte.
Doch 1942 ist der Weg bis an die oberste Spitze noch weit. Mehr als je zuvor wird Heydrich von der ersten Riege der Thronanwärter, Göring, Bormann und Goebbels, hofiert, die ihn Himmler am liebsten entreißen würden, aber der wacht eifersüchtig über seine rechte Hand. Doch selbst, wenn er mit seiner Ernennung in Prag und als Beauftragter der Endlösung in eine andere Dimension aufgestiegen ist, spielt Heydrich noch nicht ganz in ihrer Liga. Göring liegt im Rennen zwischen den Thronanwärtern zwar weit hinten, ist aber offiziell immer noch die Nummer zwei des Regimes und Hitlers designierter Nachfolger. Bormann hat Rudolf Heß an der Parteispitze abgelöst und ist seitdem stets an Hitlers Seite.
Goebbels’ Propaganda bildet nach wie vor einen zentralen Stützpfeiler des Regimes. Himmler leitet die Waffen-SS, deren Kampfeinheiten an allen Fronten Ruhm davontragen, und er besitzt die alleinige Kontrolle über das System der Konzentrationslager. Mit diesen beiden Machtpolen übertrifft er Heydrichs Einflussbereiche um Längen.
Auch wenn ihm sein Posten als Reichsprotektor erlaubt, die Wege der Hierarchie abzukürzen, und er einen direkten Draht zum Führer besitzt, hat sich Heydrich immer noch nicht dazu entschlossen, Himmler auszustechen: Er weiß, dass man seinen Chef, so unbedeutend er auch erscheinen mag, nicht unterschätzen sollte. Außerdem ermöglicht ihm seine Position als Nummer zwei in der SS, sich gegebenenfalls hinter ihm zu verstecken und auf den Tag zu warten, an dem er so mächtig ist, dass er sich vor niemandem mehr zu fürchten braucht.
Heydrichs direkte Rivalen sind also momentan von noch geringerer Kragenweite: Da wären Alfred Rosenberg, Reichsminister für die besetzten Ostgebiete und Vordenker der Kolonisierung in diesen Territorien; Oswald Pohl, Hauptverantwortlicher für die Konzentrationslager, wie Heydrich Leiter eines Hauptamtes (des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes) innerhalb der SS; Hans Frank, Generalgouverneur des besetzten Polen, sein Gegenstück in Warschau; oder Canaris, Chef der Abwehr, sein Gegenstück bei der Wehrmacht … sicher, durch die Konzentration mehrerer Funktionen und Zuständigkeitsbereiche in seinen Händen besitzt er deutlich mehr Macht als jeder einzelne von ihnen. Doch ein jedes ihrer Aufgabengebiete schränkt seinen eigenen Machtumfang ein. Betrachtet man die Dinge unter diesem Gesichtspunkt, muss man noch den Chef der Ordnungspolizei, Daluege, hinzufügen, ein weiterer Offizier in zentraler Stellung, der im Organigramm der SS direkt unter Himmler steht. Seine Tätigkeiten beschränken sich zwar nur auf den Bereich der Gendarmerie, allgemeine Polizeiaufgaben und die Aufrechterhaltung der Ordnung, trotzdem entziehen sich dadurch mehrere Polizeibereiche wie Orpo, Schupo und Kripo Heydrichs Einfluss, die allerdings weder die Macht noch das düstere Prestige der Gestapo besitzen.
Er hat also noch einen weiten Weg vor sich. Doch wie er bereits zur Genüge bewiesen hat, ist Heydrich niemand, der sich leicht entmutigen lässt.
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Folgende Anekdote habe ich in vielen Büchern gefunden: Himmler wohnt einer Exekution in Minsk bei und wird ohnmächtig, als er mit dem Blut zweier junger Frauen bespritzt wird, die direkt vor seinen Augen ermordet werden. Im Anschluss an diese
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