Hi, Society
es war keine der üblichen Überraschungen. Etwa, dass die Waage unvermutet zwei Kilo weniger anzeigte, ihr Massimo in diesem kleinen Restaurant im East Village einen Heiratsantrag machte oder sie das neue Gesicht einer auf mehrere Millionen dotierten internationalen Werbekampagne sein sollte. Ja, solche Überraschungen liebte sie. Die Überraschung im konkreten Fall allerdings war nackt, männlich und lag direkt neben ihr. Für einen Moment hatte sie den winzigen Hoffnungsschimmer zu träumen. Also blinzelte sie, doch gerade, als sie es wagte, ihre Augen erneut zu öffnen, spürte sie seine Lippen auf den ihrigen. Hiermit war es offiziell: Diese Art Überraschung konnte sie überhaupt nicht leiden!
Er sah gut aus, viel zu gut. So gut, dass sie keine Sekunde überlegen musste, ob sie mit ihm geschlafen hatte. Also sprang sie hastig auf und begann, ihre im Zimmer verstreuten Klamotten zusammenzusammeln und ihr Gehirn soweit in Gang zu bringen, dass sie einen halbwegs annehmbaren Abgang hinlegen konnte, während er sie mit Begeisterung an die Einzelheiten jener Nacht zu erinnern versuchte, welche sie eben mit voller Kraft verdrängen wollte.
»Komm ins Bett, Wildkatze!«, er machte eine auffordernde Handbewegung.
Wildkatze?
Sie versuchte, seinen ermunternden Blick zu ignorieren und schlüpfte eilig in ihr kanariengelbes Versace-Kleid.
Wie konnte sie nur? Ein Russe?
Sie mochte weder Wodka noch Zupftorte. Sie musste sich wirklich schlecht gefühlt haben, der Alkohol allein reichte dazu nicht aus.
»Kaffee oder Tee? Olga soll uns Frühstück machen.«
Sie schüttelte den Kopf, ehe sie eilig in ihre Pfauenfedern-Jimmy-Choos schlüpfte. »Nein danke«, sagte sie und griff hastig nach ihrer smaragdgrünen Cavalli-Clutch am Nachtkasten. Sie hielt einen Moment inne.
»Am besten wir vergessen, was passiert ist. Okay?«, sagte sie so locker wie möglich, wenngleich sie es ja ohnehin schon hatte, beziehungsweise ganz froh darüber war, dass der Alkohol sie nicht nur eine Dummheit begehen, sondern sie auch gleich wieder vergessen hatte lassen.
»Vergessen!« Er nickte zustimmend, während er ein strahlend weißes Manschettenhemd überzog und in dunkle Designerjeans schlüpfte.
»Du kannst dich an nichts erinnern, nicht wahr?« Er zog amüsiert die Augenbrauen hoch, während er die Knöpfe seiner Jeans schloss.
Sie schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht.«
»Dann weißt du es noch?«
»Natürlich!«, log sie. »Du warst toll! Ehrlich! Aber ich muss dringend weg.« Sie verhaspelte sich mehrmals dabei, so eilig hatte sie es, die Worte aus ihrem Mund loszuwerden.
»Verstehe.« Er nickte erneut. »Hier dein Mantel.« Sie griff eilig danach und versuchte das schmerzhafte Pochen in ihrem Kopf zu ignorieren.
»Nie wieder Alkohol!«, schwor sie sich, während er sie wortlos zur Tür brachte.
»Ruf mich an, wenn es dir wieder einfällt!«, hauchte er ihr an der schweren dunklen Eingangstür angelangt ein letztes Mal ins Ohr, ehe er sie auf die Wange küsste und sie zur Tür hinausstürzte.
»Mist!«, entfuhr es dem großen Blonden, in welchen sie bei ihrem Fluchtmanöver ungebremst gerast war. Seine Zeitung war zu Boden gefallen, doch Sophie rannte, ohne darauf zu reagieren oder sich ein weiteres Mal umzudrehen, auf ihren High Heels die Marmortreppe des prunkvollen Palais am Kohlmarkt hinab, gefolgt von den bewundernden Blicken der beiden Russen und dem rhythmisch klackenden Geräusch ihrer Armani-Absätze, welches das Stiegenhaus erfüllte. Kurz darauf war die Eingangstür ins Schloss gefallen.
»Du hast dir die falsche Freundin ausgesucht.« Er warf ihm zur Begrüßung die Presse entgegen.
»Was kann an einem Victoria’s Secret Model falsch sein?«
»Ihre Schuhe zum Beispiel?« Mittlerweile waren Vladimir Orlow und sein Begleiter in der Küche angelangt. Alexej ging hinüber zum Schrank, öffnete unter dem verständnislosen Blick seines Bosses die oberste Tür der schwarzen Designerküche und holte zwei Espressotassen hervor.
»Was interessieren mich ihre Schuhe. Sie war der Jänner im Pirelli-Kalender.«
»Die Steine. Seite 33«, sagte er ungerührt. Dann drückte er den kleinen schwarzen Knopf der Maschine und beobachtete, wie sich die Tassen langsam mit der karamell-glänzenden Flüssigkeit füllten, während Vladimir auf einem Barhocker neben ihm die mitgebrachte Zeitung aufschlug.
»Was zum Teufel soll der Scheiß?« Mit einem Mal war Vladimir Orlows heitere Stimmung verflogen. Seine Stimme bebte vor
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