Hi, Society
inständig, dass er sich wieder ein wenig aufrichten möge, damit wenigstens seine Bauchmuskeln etwas besser zur Geltung kommen, doch statt dessen unterbricht mich dieser bloß mit zu Boden gesenktem Blick. »Elli übertreibt völlig. Das gebuchte Model war überraschend ausgefallen –«
»Sei nicht so bescheiden«, falle ich ihm sofort ins Wort und klopfe ihm etwas fester als beabsichtigt auf die Schulter, während ich zu Erik gewandt sage: »Er ist einfach so bescheiden.«
»Nein wirklich!«, schaltet sich jetzt Tobi erneut ein. »Ich bin kein Model, ich bin Versicherungsmakler!«
»Produktmanager!«, korrigiere ich und stürze hastig meinen Cocktail hinunter: »Für Lebensversicherungen.«
»Das ist perfekt!«, schaltet sich jetzt Erik erfreut ein. »Kennst du dich mit prämienbegünstigter Zukunftsvorsorge aus?«
Ich geb’s auf. Zwei Martinis und eine Pinkelpause später sitze ich hier und möchte nur noch eins: ins Bett. Doch stattdessen muss ich zusehen, wie Erik und Tobi eben dabei sind, Freunde fürs Leben zu werden. Sie diskutieren, lachen, trinken Martinis, essen Wasabi-Nüsse und Tobi ist eben dabei, mit Eriks Mont Blanc-Füller auf einer Serviette ein ganzes Fonds-Schema zu skizzieren, auf dem er Erik die Vorteile der prämienbegünstigten Zukunfts-Irgendwas erklärt, während ich hier sitze und mich so unsichtbar wie meine Po-Muskulatur fühle … Nein, das glaub ich einfach nicht, jetzt tauschen sie auch noch Telefonnummern aus. Hallo, wenn er nach einer Nummer fragen sollte, dann wäre das ja wohl meine! Wie, jetzt kommt auch noch dieser Bronx-Begrüßungs-Handschlag? Oh mein Gott! Ich glaube, mir wird schlecht, und das liegt nicht bloß an den Unmengen von Alkohol in meinem Blut. Obwohl, vielleicht passiert das alles ja nicht wirklich. Vielleicht liege ich ja schon längst in meinem Bett und träume?
Leider nein, ich bin hellwach und ich kann nur sagen, es macht keinen Spaß, den Graben entlang nach Hause zu torkeln, aber ich habe auch definitiv keine andere Möglichkeit, weil es nämlich um ein Vielfaches schwerer ist, das Gleichgewicht auf 15-Zentimeter-Absätzen zu halten, wenn man 15 Cocktails intus hat und ausflippen könnte vor Ärger. Und was das Schlimmste ist, ich kann mich überhaupt nicht darüber beschweren. Ich meine, man beschwert sich über einen eifersüchtigen Ehemann, aber doch nicht über einen gänzlich Uneifersüchtigen! Also gehen wir den Graben entlang nach Hause und tun, als ob nichts passiert wäre. Als hätten wir einfach nur einen netten Abend mit unserem guten alten Freund Tobi, dem Lebensversicherer, gehabt.
Ach wenn es doch bloß eine Liebesversicherung gäbe oder wenigstens eine Liebesverunsicherung, die würde ich Erik sofort verpassen, angesichts seiner ja offensichtlich paradoxen Verhaltensweise eben. Was an der ganzen Situation hat er nicht verstanden?
Es war doch wirklich einfach. Er kommt völlig überraschend früher von seinem Businesstrip nach Hause, findet seine wahnsinnig tolle Frau auf dieser wahnsinnig schicken Party, in den wahnsinnig starken Armen dieses Kerls wieder, der aussieht, als käme er geradewegs aus der Bildretusche und sie trägt weder ihren Ehering noch ihr Höschen (also das mit dem Höschen stimmt nicht, das hat sich bloß gereimt), und anstatt ihm vor versammelter Mannschaft so richtig eine in die Go [2] zu hauen, findet er in ihm den Freund fürs Leben. Ein Glück, dass ich betrunken bin, sonst könnte ich das alles hier nicht verkraften. Noch eindeutiger geht es ja wirklich nicht mehr, ich bin ihm völlig egal!
Das überfordert mich. Es, nein ich kann so nicht weitergehen. Ich lehne mich gegen die nächstbeste Litfasssäule und versuche Maries Schuhe auszuziehen.
Heiliger Josef!
Ist mir schwindelig.
Womm!
Und Womm!
Ich schaffe es gerade noch, mich beim Geländer des Brunnens festzuhalten. Hoppala! Wo ist denn jetzt die Litfasssäule auf einmal hin?
Na servas, G’schäft!
Alles dreht sich, die Säule, die Häuser, Erik…
Oder dreh ich mich etwa? Hm! Ich komme nicht dahinter – aber ich muss diese Schuhe ausziehen. Und zwar auf der Stelle!
»Lass dir helfen«, erklingt eine Stimme hinter mir. Es ist Erik, der schon die ganze Zeit wortlos hinter mir her marschiert wie Prinz Philipp hinter der Queen, doch jetzt umfasst er meine Taille und ich stütze mich auf seine Schultern.
»Aber nur für die Schuhe!«, stelle ich klar, schließlich habe ich einen unbändigen Grant auf ihn, aber egal wie viel ich auch getrunken
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