Hi, Society
Fall bald abgeschlossen ist, er hat nämlich furchtbaren Stress damit. Das ist auch der Grund, warum wir gestern Abend sofort ins Bett gefallen sind. Weil wir nämlich todmüde waren nach all der Aufregung mit den Schuhen. Deshalb beunruhigt es mich auch nicht im Geringsten, dass ›Sie schlafen seltener miteinander‹ als eines von 46 Anzeichen für Fremdgehen gilt und er heute Morgen mit dieser Flüsterstimme telefoniert hat. Bestimmt wollte er mich bloß nicht wecken und mal ehrlich, so lange er nicht freiwillig die Geschirrspülmaschine ausräumt, habe ich, glaube ich, nichts Ernsthaftes zu befürchten, oder?
Ich lasse ein Aspirin ins Glas fallen, das sofort fröhliche Blasen schlägt und setze vorsichtig meine Sonnenbrille auf, als es an der Tür läutet.
Es ist Sophie, mit einer für meine Katerverhältnisse viel zu vergnügten Stimme und einem verdächtigen Strahlen im Gesicht. Sie sieht richtig gut aus. Ihre Wangen glühen und ihre Zähne sind so weiß, dass sie mich geradezu blenden, während sie mir freudig mehrere pinkfarbene Papiertüten mit dem kunstvoll blauen Aufdruck der K & K Hofzuckerbäckerei Demel entgegenstreckt. »Schon gefrühstückt?«
»Ich glaube nicht, dass ich noch jemals in diesem Leben frühstücken werde«, sage ich kopfschüttelnd, nachdem die Tür ins Schloss gefallen ist, und trotte gefolgt von Sophie zurück ins Wohnzimmer, wo ich mich erneut auf die Couch fallen lasse.
»He, Madame Miesgelaunt!« Sie wackelt mit den Tüten in der Luft. »Hier drin verbirgt sich rein mehlspeisentechnisch gesehen die gesamte Donaumonarchie, von A wie Apfeltorte bis Z wie Zimtschnitte.«
»Na toll, wieso hast du nicht auch gleich noch eine Pistole mitgebracht?«
»Pistole?« Sie stellt schwungvoll die Tüten auf dem Couchtisch ab und sieht mich stirnrunzelnd an.
»Dann hast du das Bild gesehen?«
Ich fahre erschrocken von der Couch hoch. »Du etwa auch?«
Sophie nickt betreten: »Meine PR-Frau legt mir täglich alle Artikel vor.« Sie beißt konzentriert auf ihre Unterlippe. »Bestimmt hat es niemand gesehen, außer …«
»Meine Mum?«, kreische ich, drehe mich entsetzt zu Sophie, welche ebenso aussieht, als hätte sie ein Gespenst gesehen und erstarre, während mein iPhone unermüdlich weiter vor sich hin klingelt.
Mein Gott, sie weiß es. Ganz bestimmt! Was mache ich denn jetzt bloß? Meine Gedanken überschlagen sich. Ich kann überhaupt nichts mehr denken, während ich entsetzt auf mein läutendes iPhone starre und erfolglos diese Stimme in meinem Kopf zu verdrängen suche, die unaufhörlich eine Zeile vor sich hin schmettert: Baby it’s too late now, it’s too late …
»Mum. Hallo!«, bringe ich schließlich zaghaft hervor und ziehe intuitiv die Schultern hoch, als auch schon ihre aufgeregte Stimme am anderen Ende der Leitung erklingt.
»Schatz!«, sagt sie und klingt überraschenderweise gar nicht böse. Nein, sie ist richtiggehend aus dem Häuschen. Als würde sie sich wahnsinnig über irgendetwas freuen. Du meine Güte, wäre es möglich, dass sie überhaupt keine Ahnung hat? Dass sie es gar nicht gesehen hat, dieses Bild von Tobi und mir? Ich meine diese Fröhlichkeits-Stimme und sie erwähnt auch überhaupt nichts in die Richtung. Nein im Gegenteil, sie redet von diesem Feng-Shui-Kurs, den sie mit ihrer Frauengruppe organisiert hat und diesem Meister Lin Yun. Kein Wort von Zeitung, fremder Mann, Kuss oder so. Ich kann es gar nicht glauben, ich bin dermaßen erleichtert, dass ich gar nicht mehr richtig zuhöre. »Qi-Konstellation, glückbringende Farbkombination, völlige Umgestaltung der Praxis, Ying Yang-Brunnen, Bonsai-Empfangszimmer.« All die Wörter aus ihrem Mund fließen irgendwie ungehört durch mich hindurch und bis ich ablege, fühle ich mich pudelwohl. Meine Mum hat es nicht gesehen und Erik bestimmt auch nicht. Alles wird gut, denke ich auf dem Weg in die Küche. Erik hat meine Schuhe gerettet und ich rette unsere Beziehung!
Nicht, dass unsere Beziehung ernsthaft in Gefahr wäre. Also nicht, dass Sie den falschen Eindruck kriegen. Nein, es ist bloß so eine Art kleiner Durchhänger.
Aber das sind die Herausforderungen, denen man sich stellt, wenn man liebt, egal ob den Partner oder Power-Shopping. Man gibt nicht einfach so auf, bloß weil das Limit der Kreditkarte überschritten ist oder das gute Stück eine halbe Größe zu klein ist. Also zumindest was Stilettos anbelangt. (Ach da fällt mir ein, dass ich Maries Manolos morgen vom Schuster holen kann. Ich
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