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Hi, Society

Hi, Society

Titel: Hi, Society Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolin Park
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verrückten Sitznachbarin vor sich hat.
    Ich wische mir ein weiteres Mal über die Augen und unterdrücke diesmal erfolgreich einen weiteren Heulkrampf – nicht dass der Typ neben mir noch eine Panikattacke bekommt oder so.
    Mal im Ernst!
    Es ist gut so! Ich werde darüber hinwegkommen und ich bereue nicht, dass ich sein Handy gecheckt habe. Auch wenn Sie jetzt vielleicht sagen, dass man so etwas nicht tut, dass es sich nicht gehört.
    Nun, gehört es sich etwa, dass Erik …
    Ich wage es gar nicht auszusprechen. Es ist so schrecklich, so unvorstellbar.
    Ich meine, er findet noch nicht mal einen Becher Joghurt im Kühlschrank, aber die Frau für zwanglosen Sex zwischen einem Business-Call und der Morgenzeitung?
    Und ich dachte immer, er könne nicht bis zwei zählen, was Frauen anbelangt, dabei hat er längst mehr getan als bloß zu zählen.
    Oh nein, nein, nein! Die Tränen schießen schon wieder über mein Gesicht. Keine Ahnung, wo das ganze Wasser überhaupt herkommt. Was mache ich denn jetzt bloß? Nicht, dass ich ihn zurück wollen würde, aber selbst wenn, gegen dieses politisch korrekte Wollstrickpullover-Genie kann ich einfach nur verlieren. Im Ernst, ich habe keine Ahnung von Stricknadeln und alternativer Menstruationshygiene, geschweige denn dem unwiederbringlichen Schaden, den mein Löwenmähnen-Haarspray täglich der Ozonschicht zufügt. Im Ernst, das einzig grüne Statement, über das ich verfüge, ist der Jade-Nagellack von Chanel, meine Jeans sind weiter gereist als ich und allein die Wahl meiner Lieblingsspeisen stellt bereits einen schweren Fall von Diskriminierung dar – Hallo? Mohr im Hemd, Zigeunerschnitzel, Negerbrot?
    Und was das Allerschlimmste ist, ich stecke mitten in der Organisation einer bombastischen Hochzeit für meine allerbeste Freundin, während ich meine – ich glaube, mir wird schlecht – Scheidung plane und was noch schlimmer ist, ich werde dort ganz allein hingehen müssen!
    Na toll!
    Ich greife in meine Tasche und ziehe ein weiteres Taschentuch heraus.
    Daran habe ich ja überhaupt noch nicht gedacht.
    Was mich aber am allermeisten dabei trifft, ist die Tatsache, dass ich es überhaupt nicht habe kommen sehen. Okay, zugegeben, wir hatten die letzten Monate wirklich sehr viel Stress und ich glaube mich daran zu erinnern, dass Erik, als ich ihm von L.A. und meinen Möglichkeiten erzählt habe, etwas in der Art sagte, dass es mir bestimmt ganz gut tun würde, mal was Neues zu erleben. Ja, das waren glaube ich ungefähr seine Worte! Und was mache ich, anstatt alle Alarmglocken schrillen zu hören, freue ich mich darüber, dass ich einen solch verständnisvollen, unterstützenden Mann habe. Ich Dumpfbacke! Wie konnte ich bloß so dermaßen blind sein? Es gab genügend Anzeichen. Von wegen der ganze Business-Stress! Damals, als ich ihn im Büro überrascht habe – das war keine Begeisterung in seinem Gesicht, das war Panik, nackte Angst! All diese Geheimniskrämerei mit seinem Handy und die paarmal, als er überhaupt nicht verschwitzt vom Joggen nach Hause kam … Wie konnte ich bloß so dumm sein?
    Von wegen, ich soll was Neues erleben! Er wollte was Neues erleben. Nämlich Edda! Auf einmal fällt es mir wie Schuppen von den Augen! Und da schien es ihm ganz recht, dass ich mehrere Tausend Kilometer weit weg sein würde, völlig nichtsahnend an einem Filmset in L.A. und mich um Maries organische Stimmstörung kümmern würde, während er sich um Eddas orgastische Stimmung kümmerte. Na toll! Schon wieder habe ich dieses Bild vor Augen, von ihm und ihr, nackt, in unserem Bett – nein, bloß nicht hinsehen. Stattdessen stopfe ich mir die Schokolade in den Mund. Das ist das einzig Positive daran, wenn man von seinem Mann betrogen wird, grenzenlos gerechtfertigter Schokoladenkonsum ohne schlechtes Gewissen.
    Im Gegenteil, angesichts dieser traumatischen Zustände ist es geradezu eine gesunde Überlebensstrategie. Ich meine, irgendwo muss ich meine Endorphine ja herkriegen – Sex ist ja hiermit offiziell für längere Zeit von der Liste.
    Na toll! Ich heule schon wieder! Nein, das ist eine Untertreibung. Das Wasser schießt vielmehr nur so über mein Gesicht und mein Zwerchfell zuckt dermaßen hysterisch, dass mein Sitznachbar im selben Rhythmus jedes Mal von Neuem auf seinem Sitz hochschreckt.
    Ich kann nicht glauben, dass ich mein ganzes Leben so dermaßen auf dem Holzweg war. Nie hätte ich gedacht, dass mir so eine Alternativtante gefährlich werden könnte. Ja, vielleicht dieses

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