Hi, Society
wenn es uns froh stimmt, dass Sie Ihre »Hausbesuche zu Fuß erledigen, anstatt mit einer Luxuslimousine die Luft zu verpesten.«
(Haben Sie zudem herzlichen Dank für die beigelegten Sticker und Buttons: Give shoes a chance und Make shoes/not cars. )
Die in Ihrem Fahrtenbuch zurückgelegten Strecken – haben Sie vielen Dank für die detailreiche Führung und Erfassung all Ihrer Schuhe mittels beigelegtem Foto – können folglich auch nicht als Kilometergeld abgegolten werden.
Ebenso wenig können die entstandenen Kosten für
1 Absatzreparatur
2 Fußmassagen
als Betriebsausgaben steuerlich berücksichtigt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Maria Molart
Beilagen:
3 Rechnungen im Original
KAPITEL 30
J
eder Besuch bei meinen Eltern hat etwas Irreales. Es ist, als ob ich in ein Märchenland längst vergangener Zeit reisen würde, in welchem die Uhren seit Jahrzehnten im immer gleichen Takt schlagend, jede Veränderung im Keim erstickend, die Zeit still stehen lassen.
Es beginnt buchstäblich an der Eingangstür, noch immer die gleiche dunkle Eichentür, die ich bereits als Kind jedes Jahr aufs Neue dem Krampus vor der Nase zuschlug, bevor ich ihm gemeinsam mit Sophie mit Schneebällen und unanständigen Sprüchen bewaffnet die Zornesröte ins ohnehin schon rot-schwarz geschminkte Fratzengesicht getrieben hatte und vor welcher ich im Mondenschein meinen allerersten Kuss bekommen habe. Leider war er gar nicht Dirty Dancing-like. Eher Meister Propper, aber was habe ich auch erwartet vom Sieger der Mathematik-Meisterschaft und Klasssenbesten Klaus.
Ich weiß nicht, woran es liegt und ob es uns allen so ergeht, aber in meinem Falle vollzieht sich eine blitzartige Wandlung meiner Selbst, sobald ich erst die Türschwelle meiner Eltern passiert habe. Mein gesamtes Ich verrutscht irgendwie und ich ertappe mich in dieser pinkfarbenen Blase vollkommener Glückseligkeit, illusorischen Träumereien und der einzigen wirklich schwerwiegenden Sorge, es nicht rechtzeitig zu schaffen, meinen Vater davon zu überzeugen, dass die Altersbeschränkung bei Pretty Woman bei acht Jahren anstatt zwölf liegt.
Noch während ich meine Schuhe gegen den Schuhschrank schleudere, eine Unart, welche ich mir zu Hause niemals erlauben würde, zische ich jedes Mal schnurstracks in die Küche, öffne den Kühlschrank, wo mich das Nutella-Glas von seinem Stammplatz aus bereits ebenso erfreut glückselig willkommen heißt wie meine Mum und während wir noch diskutieren, ob man die Wühlmaus im Gartenbeet wohl dazu überreden könnte, woanders ihre Zelte aufzuschlagen, hat meine Mum bereits mit der Zubereitung mindestens einer meiner Leibspeisen begonnen, während ich noch am Nutella-Löffel leckend ihr zu erklären versuche, dass ich a) überhaupt keinen Hunger, b) fünf Kilo Übergewicht und c) den Tisch schon gedeckt habe.
Was das Schönste am Haus meiner Eltern ist: dass es dort keine Probleme gibt! Nein, konkreter formuliert: Es gibt einen ganzen Haufen an Problemen in der Art, warum der Schnittlauch im Garten heuer nicht aufgeht? Welcher Bauplatz das ist, der da verkauft wird? Von wem wohl der gewonnene Geschenkkorb vom Feuerwehrfest stammt? Also nichts, was ein halbwegs normaler Mensch als ein Problem bezeichnen würde. Aber das Eintauchen in diese unüberschaubare Anzahl an Unwichtigkeiten vermag es in irgendeiner Art, die richtig schwerwiegenden Probleme des Lebens beinahe auszulöschen, sie nahezu vollkommen vergessen zu lassen. Das war auch der Grund, warum ich nach meiner Landung in Wien beschlossen habe, direkt hierherzukommen. Zu meiner eigenen Überraschung waren Mum und Paps auch gar nicht erstaunt, als ich so plötzlich mit Sack und Pack vor ihrer Haustür stand und erklärte, dass ich die nächsten Tage bis zur Hochzeit bei ihnen bleibe, um mich besser auf die Organisation konzentrieren zu können. Es schien ihnen noch nicht mal aufzufallen, dass ich drei Tage zu früh dran war, und hätte ich ihnen nicht sofort schuldbewusst eröffnet, dass Erik direkt weiter nach London fliegen musste, ich bin nicht sicher, ob sie überhaupt danach gefragt hätten.
Aber irgendwie bleibt auch momentan wirklich kaum Zeit. Dauernd ist irgendeine Vera-Wang-Brautkleid-Anprobe, Hochzeitsmenü-Verkostung, Trauungs-Generalprobe im Schlossgarten oder die Durchsicht der kalligrafierten Tischkarten auf etwaige Fehler in der Namensschreibung steht an – wie gerade eben.
»M. Testino«, hake ich auf meiner
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