Hibiskusblüten
Dinah nicht gewesen zu sein: im Spültrog stand eine Menge gebrauchtes Geschirr, und auf dem kleinen Tisch lagen Küchengeräte herum. Im Abfalleimer fand ich das Blumenpapier, das aber keinen Aufdruck zeigte.
Fingerabdrücke? Bestimmt die von der Blumenverkäuferin — aber die des Mörders? Ein Mann, der mit Handschuhen mordet, war vorsichtig. Trotzdem legte ich das Papier beiseite, um es mitzunehmen.
Zufällig öffnete ich dann die rote Blechschachtel mit dem großen weißen Stern von „White Star Toffee’s“ — und da hatte ich einen Fund getan, der mir den Atem verschlug!
In dieser Schachtel lagen, säuberlich geglättet, viele Kaugummipapierchen! Ganz zu oberst leuchteten mir die beiden weiß-rot karierten von meinem Ingwergummi entgegen.
Wie kam die Schachtel mit Eves Sammlung hierher?
Da jetzt nicht der richtige Augenblick war, lange zu grübeln, steckte ich die Schachtel ein und suchte weiter. Ich fand nichts mehr.
Schließlich holte ich den Staubsauger, saugte den hellblauen Teppich überall da ab, wo meine sandigen Fußspuren sein konnten, wischte mir hierauf meine Gummisohlen, die zum Glück nur noch ein schwaches Profil aufwiesen, mit einem Scheuerlappen sorgfältig ab und verschloß die Zimmertüre wieder. Ich kletterte aus dem Fenster und untersuchte den Riegel. Er hatte keine Kratzspuren von meinem Taschenmesser.
Ich habe immer etwa fünf Fuß Bindfaden bei mir, man kann ihn oft brauchen, besonders, wenn man ein so altes Auto fährt wie ich. Ich nahm ihn nun doppelt, legte ihn um den Riegel, fädelte ihn um die gegenüberliegende Angel des Ladens, drückte den Laden zu und zog den Riegel mit der Schnur in den Bügel.
Als ich damit fertig war, ging ich zu den großen Rhododendronsträuchem, die sich auf der Garagenseite des Hauses bis zur Straße hinzogen. Ich brach mir einen Zweig ab und verwedelte damit meine und Muriels Fußspuren.
Dann schickte ich Muriel zum Wagen und vernichtete, rückwärts gehend, unsere Spuren bis zur Straße. Da ich hier nicht wenden wollte, fuhr ich die Straße noch ein Stück weiter, bis ich einen geeigneten Platz gefunden hatte, kehrte um und fuhr zurück.
Während dieser ganzen Zeit hatten wir kaum miteinander gesprochen. Wir stiegen aus und gingen ins Haus hinein.
Ich goß mir einen Whisky ein und kippte ihn auf einen Zug. Muriel war blaß und konnte nichts trinken.
„Soll ich jetzt die Polizei anrufen?“ fragte sie.
„Ja — oder halt, nein! Noch nicht. Ich möchte nicht, daß die Polizei mich in irgendeinen Zusammenhang mit dieser Sache bringt. Aber nun paß mal auf, ich will dir jetzt die Idee zu einer Kriminalgeschichte erzählen: Da lebt irgendwo eine geschiedene Frau mit ihrer zehnjährigen Tochter. Dieses Kind sammelt die Einwickelpapierchen von Kaugummi. Irgendwo anders wird die Schwester dieser Frau ermordet aufgefunden. Nichts, aber auch gar nichts läßt sich finden, was auf den Mörder hinweist. Man findet aber die Schachtel mit den Kaugummipapierchen. Was kann man daraus schließen?“
„Daß — daß die Frau ihre Schwester...?“
„Halt! Bitte präzis denken, Muriel. Ich vergaß zu erwähnen, daß die Frau am Morgen dieses Tages bei einem Detektiv war und ihm erzählte, sie fürchte sich vor einem Unheil, das sie aber nicht näher beschreiben konnte. Sie erwähnte hierbei, daß sie ihr Kind in Sicherheit gebracht habe. Was kann man hieraus schließen?“
„Daß die Frau das Kind zu ihrer Schwester brachte.“
„Richtig. Ich nehme an, Mrs. Buttom brachte Eve zu Dinah. Was kann man weiter daraus schließen?“
Sie runzelte ein wenig die Stirn.
„Laß das doch jetzt, Allan. Mir ist jetzt weiß Gott nicht nach solchen Scherzen zumute.“
„Scherze? Muriel, das sind keine Scherze, das ist meine Methode. Ich habe nämlich festgestellt, daß sich unverständliche Dinge plötzlich klären, wenn man sie jemand anderem zu erklären versucht; man ist dann selbst gezwungen, folgerichtig und in kleinen Schritten zu denken. Mary-Ann hat Eve gestern abend fortgebracht. Nehmen wir an, zu Dinah. Dinah lebte zwar von der Familie getrennt, aber das besagt nicht, daß sich die Schwestern nicht doch vertrugen. Die Pickles sterben gerade wie die Fliegen an Lungenentzündung. Mary-Ann spürt, daß da etwas nicht stimmt und bekommt Angst. In erster Linie denkt eine Mutter dann an ihr Kind. Infolgedessen bringt sie Eve aus dem unheilvollen Haus. Bei Dinah, glaubt sie, sei sie gut aufgehoben. Am nächsten Morgen, oder Vormittag, wird Dinah erwürgt.
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