Hibiskusblüten
Dies hier ist mein Fall, verstehst du?“
Ich ging wieder zum Wagen, holte meine Handschuhe und sagte dann zu Muriel:
„Bleib’ bitte da vorne an der Ecke stehen, und halte Augen und Ohren offen. Wenn jemand kommt, sagst du es mir sofort. Willst du das für mich tun?“
„Ja“, sagte sie nur. Sie ging zur Ecke des Bungalows. Ich schaute ihr nach und sah ihre schmale Silhouette groß gegen den Himmel.
Ich schwang mich über das Fensterbrett, zog den Laden hinter mir zu, suchte den Lichtschalter und knipste das Licht an.
Das Mädchen lag im vorderen Drittel des Zimmers, nicht weit vom zweiten Fenster, auf dem Boden. Ihr Gesicht war gedunsen und blaurot verfärbt. Im ersten Augenblick dachte ich, sie sei vergiftet worden. Dann aber entdeckte ich am Hals die typischen Würgemale.
Sie lag ein wenig auf die rechte Seite gedreht. An der Art der Totenflecke konnte ich feststellen, daß die Lage der Leiche nachträglich nicht verändert worden war. Hier, in diesem Zimmer und an dieser Stelle war Dinah Clearney erwürgt worden, war die brutalste und roheste aller Todesarten gestorben.
Ich untersuchte ihren Hals besonders sorgfältig. Drei blaue Flecke auf der linken Seite ihres Kehlkopfes, ein großer rechts, sagten mir, daß der Mörder ihr einhändig den Kehlkopf zugedrückt hatte. Vermutlich war er Rechtshänder.
Ihre rechte Hand, die ich von draußen entdeckt hatte, war entspannt und offen, aber ihre linke war leicht zur Faust geballt. Natürlich war die Faust leer; wenn überhaupt Dinah im Todeskampf etwas in dieser Hand gehabt hatte, war es von dem Mörder herausgenommen worden.
Ich kniete mich neben sie und untersuchte ihre Fingernägel, aber ich konnte nicht entdecken, daß sie den Mörder bei einem Kampf damit gekratzt hatte. Ich fand auch keine Haare.
Nun schaute ich mich in dem Raume um.
Die Tür war verschlossen, aber es steckte kein Schlüssel. Wahrscheinlich hatte der Mörder hinter sich zugeschlossen und den Schlüssel mitgenommen. Ich habe an meinem Schlüsselbund einen Sperrhaken, den ich nun ausprobierte: er schloß und ich ließ die Türe offen.
An der einen Wand stand ein langes Bücherregal mit vielen Büchern. Sie waren ein wenig verstaubt. Aber in dieser feinen Staubschicht waren deutlich Fingerabdrücke zu sehen. Leider zu deutlich; denn ich erkannte auf den ersten Blick, daß der Mörder mit Handschuhen gearbeitet hatte — daher auch seine Sorglosigkeit. Das Ganze sah aus, als habe er die Bücher hastig durchsucht; vielleicht nach einem bestimmten Buch, vielleicht auch nach etwas, was in einem Buch gelegen hatte.
In einer Ecke stand ein kleiner Schreibtisch aus rötlichem Birnbaumholz, dessen Schubladen nicht verschlossen waren. Ich fand, eine Mappe mit Korrespondenzen, die ich durchblätterte. Es handelte sich aber um geschäftliche Angelegenheiten, die schon zwei Jahre zurücklagen.
In einer Pappschachtel lagen Quittungen, in einem anderen Fach fand ich verschiedene Sorten Briefpapier, wie man sie überall bekommt — ohne Aufdruck und alle in hellem Lila.
Ein Fotoalbum, das auf dem Schreibtisch lag, enthielt Aufnahmen aus der Zeit, als Dinah noch ein kleines Mädchen war; merkwürdigerweise trug dieses Album, das Buchform hatte, die mit Tusche geschriebene Nummer i. Ich suchte alle ab, konnte aber Nummer 2 nicht finden. Gab es kein zweites, oder hatte es der Mörder mitgenommen? Ob es das war, was er im Bücherregal gesucht hatte?
Nun durchstöberte ich alles, um die Negative zu finden, aber ich entdeckte sie nicht.
Auf einem kleinen, ovalen Tisch mit schwarzer Glasplatte stand ein Aschenbecher aus venezianischem Glas, der vier Zigarettenstummel enthielt. Sie waren alle ein wenig rot angefärbt. Neben dem Aschenbecher, in einer Vase aus kraquetiertem Porzellan, standen sechs Teerosen. Die halb geöffneten Knospen waren ganz frisch. Ich zog eine heraus und betrachtete die Schnittfläche. Auch die war frisch. Die Rosen waren wohl erst heute morgen gekauft worden.
Kein Mensch bringt Blumen, die nicht in einem Papier eingewickelt sind. Ich suchte nach dem Papier, fand es aber nicht.
Auch sonst fand ich nichts mehr in diesem Raum. Ich wandte mich nochmals dem Mädchen zu. Soweit ich es beurteilen konnte, mußte sie im Laufe des Vormittags umgebracht worden sein.
Ich ging hierauf in den Vorraum. An einigen Haken hingen ein paar Kleidungsstücke, die mir keinerlei Aufschluß gaben. Auch im Bad entdeckte ich nichts, und ich untersuchte endlich die Kochnische.
Sehr ordentlich schien
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