Hibiskusblüten
Es ist sehr unwahrscheinlich, daß Mary-Ann das getan hat; denn wenn sie auf Dinah schlecht zu sprechen gewesen wäre, hätte sie nicht erst das Kind hingebracht. Außerdem halte ich den Mörder für einen Mann; Frauen bringen es kaum fertig, jemanden mit einer Hand zu erwürgen. Es muß sogar ein recht kräftiger Mann gewesen sein. — Was kann man nun daraus schließen?“
„Ich weiß es nicht, Allan!“
„Ich auch nicht“, gab ich zu, „es hat nichts geholfen. Ich konnte es dir nicht erklären, und ich kann es mir nicht erklären. Du kannst jetzt die Polizei anrufen. Sag’ ihr, du hättest — Moment mal! War nicht Dinah gestern abend bei dir?“
„Doch, sie holte Milch.“
„Aha! Wahrscheinlich brauchte sie die für Eve. Sagte sie nichts davon, daß sie Besuch habe?“
„Nein.“
„Du sagtest, Dinah habe sicherlich einen oder mehrere Freunde. Hast du mal mit ihr darüber gesprochen?“
„Nein, wir sprachen eigentlich nie über so private Dinge. Wir waren auch gar nicht so sehr befreundet. Wir waren eben nur gute Nachbarn.“
„Hast du einmal einen Mann mit ihr zusammen gesehen? Oder das Auto, mit dem er zu ihr kam?“
„Ja“, sagte sie eifrig, „hin und wieder kam ein grüner Packard.“
Ich fuhr überrascht auf.
„Ein grüner Packard?“
„Ja. Kennst du ihn?“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Mary-Ann Buttom fährt einen grünen Packard. Hast du gesehen, daß ein Mann drin saß?“
„Ja, natürlich.“
„Niemals eine Frau?“
„Ich glaube nicht. Aber ich hab’ nicht immer so genau hingeschaut. Ich hatte überhaupt nicht viel Verkehr mit Dinah. Wir sprachen gelegentlich ein paar Worte, über das Wetter, über die Preise und so. Wir haben auch hin und wieder Bücher ausgetauscht und halfen uns aus, wenn einer von uns was fehlte. Ich glaube übrigens, daß ich noch Bücher von ihr dahabe… Wart’ mal, die müßten...“
„Das ist jetzt unwichtig“, sagte ich, „die kannst du außerdem behalten, die Pickles werden genug Bücher haben. Und jetzt kannst du die Polizei anrufen. Sag’ ihnen, du hättest — ja, du hättest dir Bücher leihen wollen. Sag’ ihnen am Telefon nur, es käme dir merkwürdig vor, daß sie nicht öffnet, obwohl ihr Wagen da ist, und du hättest Furcht, es könne etwas passiert sein. Gib aber ja acht, Muriel, daß du dich nicht verplapperst! Du weißt nichts davon, daß Dinah tot ist! Laß mich, wenn’s irgend geht, ganz aus dem Spiel, aber wenn sie doch fragen sollten, dann erzähle ihnen ruhig, ich sei bei dir zu Besuch gewesen. Du hast mich angerufen, weil du meinen Namen aus der Zeitung wußtest, und wir haben über die Möglichkeit gesprochen, zusammen Kriminalgeschichten zu schreiben. Das ist alles, und dabei bleibst du unter allen Umständen. Mache sie glauben, ich sei vor etwa einer halben Stunde nach Hause gefahren. Sobald du angerufen hast — du darfst es nicht allzu dringend machen, weil du ja nicht weißt, daß Dinah tot ist —, sobald du also angerufen hast, fährst du deinen Wagen aus der Garage, jagst zu Dinah hinauf, gehst ums Haus, klopfst und dann fährst du zurück. Sie müssen deine Spuren finden, und dein Wagen muß warm sein. Stell’ ihn schlampig hin, wie man es tut, wenn man eilig und aufgeregt ist. Nimm auch den Hund mit und lasse ihn dort oben tüchtig herumlaufen; sie sollen seine Spuren finden, das wirkt natürlicher. Aber vergiß bei allem um Gottes willen nicht, daß du gar nichts weißt: weder von den Pickles, noch von Hibiskusblüten — gar nichts! Wirst du das können?“
„Ich hoffe, Allan.“
Ich nahm ihre Hände, die sich kalt anfühlten.
„Du mußt mir helfen, Muriel. Jetzt bin ich wirklich hinter einem Mörder her. Es braucht niemand, am allerwenigsten die Polizei, zu wissen, daß ich in diese Sache verwickelt bin. Wirst du’s wirklich können?“
„Dir zuliebe — ja.“
„Ich danke dir, Muriel. Ich fahre jetzt nach Hause. Ruf mich später an, und wenn du keine Verbindung bekommst, ruf mich immer wieder an. Wenn du gar nichts von mir hörst, auch morgen vormittag nicht — dann gehst du zur Polizei und sagst, was du wirklich weißt. Oder nein, das ist Unsinn! Sie würden dir nur die Hölle heiß machen, und außerdem könntest du bestraft werden. Ich werde da sein, wenn du anrufst — oder ich rufe dich an. Kann ich dich morgen erreichen?“
„Ja, ich bin hier.“
Sie neigte sich mir ein wenig entgegen. Ich nahm sie in die Arme und küßte sie.
„Muriel, Liebling — wenn es jetzt Tag wäre,
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