Hibiskusblüten
gleich einverstanden, und erst jetzt, als wir gehen wollten, merkte ich, daß ich immer noch die Badehose anhatte. Ich holte meine Kleider von draußen und zog mich im Bad an, nachdem wir Oliver wieder hinausgelassen hatten.
Ich merkte, als ich in den Spiegel schaute, daß ich wohl ein halbes Gläschen mehr intus hatte, als unbedingt nötig gewesen wäre.
Muriel merkte das anscheinend nicht; vielleicht hatte sie ebenfalls ein halbes Gläschen zuviel getrunken. Sie hängte sich vergnügt bei mir ein.
„Wenn Sie mir“, erklärte sie mir ernsthaft, „eine gute Kriminalgeschichte erzählen, dann schreibe ich sie, und Sie bekommen dreißig Prozent. Haben Sie auch schon mal einen Mord aufgeklärt?“
„Wöchentlich zwei bis drei“, versicherte ich.
„Und schon mal einen Verbrecher erschossen, so richtig: peng?“
„Meistens tu ich das vor dem Frühstück, und freitags am liebsten.“
Sie schaute mich von der Seite an und zwinkerte wieder, wie Kurzsichtige das öfters tun.
„Ich glaube überhaupt nicht“, sagte sie, „daß Sie ein Detektiv sind.“
„Ach, Muriel“, sagte ich, „meine Klienten glauben das meistens auch nicht, und es gibt Zeiten, wo ich es selbst nicht glaube.“
„Ist jetzt gerade so eine?“
Sie stand ganz dicht vor mir, und ihre roten Lippen leuchteten mir entgegen. Ich war ganz hingerissen von diesem Anblick.
„Himmel noch mal“, sagte sie, „warum küssen Sie mich denn nicht endlich?“
„Weil ich...“ stotterte ich und merkte plötzlich, daß ich nun auch noch zu schielen anfing, „weil ich — es ist — meine Nase — wissen Sie, und die Sommer...“
„Du lieber Idiot“, flüsterte sie und küßte mich.
Sie küßte mich sehr lange und hingebungsvoll. Sie küßte mich solange, bis ich vor Schmerz aufschrie.
„Muriel! — Dein Hund frißt schon die ganze Zeit meinen linken Fuß!“
Wir brachten ihn ins Haus zurück und sperrten ihn ein.
Als wir zu meinem Wagen gingen, sagte ich: „Küßt du eigentlich jeden Mann, der sich hierherauf verirrt?“
„Jeden“, nickte sie, „und wenn zu wenige kommen, dann gebe ich Inserate auf. Genauso, wie du Verbrecher erschießt. — Was ist denn mit Dinah Clearney? Hast du bei ihr als Detektiv zu tun? Hat sie was ausgefressen?“
„Weiß ich noch nicht“, erklärte ich. „Vorerst bin ich nur auf der Suche nach ein paar Blümchen.“
„Nach Blümchen?“
„Nicht eigentlich, sondern nach einem Dieb, der die Blümchen gestohlen hat und vielleicht auch mordet, das weiß man aber alles noch nicht genau.“
„Du bist total betrunken, Liebling“, sagte sie, während sie sich neben mich setzte. „Und wenn du genauso kariert fährst, wie du redest, dann landen wir vermutlich da unten im See, und dann sind wir viel zu tot, um noch Kriminalgeschichten schreiben zu können.“
Wir kamen den Weg aber doch vorwärts. Er wurde immer schlechter und bestand nun sozusagen nur noch aus einem steinigen Bachbett. Wir bogen rechts um den Hügel herum und sahen Dinahs Bungalow.
Es war ein Häuschen der gleichen Bauart, nur knallgelb mit roten Fensterläden. Sie waren auch hier geschlossen.
Die Dämmerung hüllte nun alles in ein tiefes Dunkelblau. Aus den Ritzen der Fensterläden drang kein Licht.
„Sie ist doch nicht zu Hause“, sagte ich.
Hibiskusblüten, Lungenentzündungen, Diebe und Mörder waren in weiter Ferne; aber Muriel stand dicht neben mir! Ich legte meinen Arm um ihre Schultern.
„Komm“, sagte ich, „der Himmel meint’s heute ausnahmsweise gnädig mit.mir. Dieses Mädchen hätte mir bestimmt nicht viel sagen können. Es ist gar nicht so wichtig für mich, mit ihr zu sprechen.“
Ich wickelte einen meiner Kaugummis aus und bot auch Muriel einen an, aber sie wollte nicht. Eine Weile kaute ich ungeduldig, weil ich mit Muriel wieder zurückfahren wollte. Solche Abende mit solchen Mädchen waren selten in meinem Leben. Ich war schrecklich verliebt in Muriel.
„Ja, wir gehen gleich“, sagte sie, „ich will doch nur mal...“
Wir schlenderten Arm in Arm um das Häuschen herum, und Muriel klopfte an die Fensterläden. Ich betete dabei zu allem, was mir im Augenblick einfiel, daß Dinah, wenn sie wirklich da war, einen guten Schlaf haben möge.
Entweder war sie jedoch nicht da, oder sie schlief tatsächlich wie eine Schildkröte im Winter; jedenfalls bekamen wir keine Antwort. Ich zog Muriel vom Fensterladen weg.
„Nun komm schon, laß sie schlafen. Du machst hier nur soviel Krach, weil du mich los sein willst,
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