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Hibiskusblüten

Hibiskusblüten

Titel: Hibiskusblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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das ist alles. Es hat für mich noch niemals etwas Unwichtigeres gegeben als Dinah Clearney.“
    Wir gingen weiter, ganz ums Häuschen herum und an der Garage vorbei. Die Garagentür war nur angelehnt. Ich schaute hinein. Eine graue Ford-Limousine, Baujahr dreiundfünfzig, stand drin.
    „Ist das ihr Wagen?“ fragte ich überflüssigerweise.
    Muriel nickte. Ich sah ihre Augen groß und fragend auf mich gerichtet.
    „Was tun wir jetzt?“ fragte sie.
    „Du schreibst doch Kriminalgeschichten“, sagte ich. „Was würdest du tun?“
    Ich wußte schon, was ich zu tun hatte, aber ich war noch nicht ganz bei der Sache; ich war noch immer zu sehr bei Muriel.
    „Nachsehen“, sagte sie. „Wenn ihr Wagen da ist, muß sie auch da sein. Man macht hier oben keine Spaziergänge.“
    Ich klopfte noch mal an die Fensterläden. Der Radau hätte jeden Schläfer aus dem Bett werfen müssen. Es blieb aber alles still. Inzwischen war es auch dunkel geworden, aber der Sandboden reflektierte genügend Licht, so daß man ganz gut sehen konnte. Trotzdem holte ich meine Taschenlampe aus dem Wagen und versuchte, durch die Ritzen des Fensterladens ins Wohnzimmer zu spähen. Ich konnte nur einen kleinen Sektor des Raumes überblicken und bewegte den Lichtstrahl langsam hin und her.
    Der grelle Lichtkegel erfaßte den Arm eines Mädchens, der regungslos auf dem Boden lag; mehr konnte ich nicht entdecken.
    „Nichts“, sagte ich zu Muriel, „das ganze Zimmer ist leer. Ich bringe dich jetzt wieder heim.“
    „Du lügst“, sagte sie ganz ruhig, „es ist etwas passiert. Ich weiß es.“
    Ich wollte es ihr ersparen, das tote Mädchen zu sehen.
    „Nein“, sagte ich, „sie ist wirklich nicht da. Aber so was kommt davon, wenn man Kriminalgeschichten schreibt. Man bildet sich dann bei jedem verschlossenen Fensterladen ein, daß ein Toter dahinter...“
    Sie legte ihre Hand auf meinen Arm. Ich spürte, daß sie zitterte.
    „Laß das jetzt, Allan“, flüsterte sie, „ich habe dein Gesicht gesehen. Es ist etwas Furchtbares geschehen.“
    „Es wäre besser“, sagte ich, „du würdest mich jetzt hier allein lassen. Zwischen Kriminalgeschichten schreiben und einen Mord in Wirklichkeit erleben, ist ein großer Unterschied.“
    „Ich bleibe hier. Was tun wir jetzt? Die Polizei holen?“
    Natürlich wäre es richtig gewesen, die Polizei anzurufen. Für mich aber war es schon zu spät: jetzt hatten mich beruflicher Ehrgeiz und Jagdfieber gepackt. War das nicht mein Fall? War das nicht der Mord, mit dem mein Unterbewußtsein längst schon gerechnet hatte? War das nicht derselbe Weg, der von den gestohlenen Hibiskusblüten zu diesem Bungalow hier führte? Und was würde ich noch tun können, nachdem die Polizei den Fall hatte? Sie würden mich beiseite schieben wie einen alten Regenschirm, sie würden den Mörder Dinah Clearneys suchen, und vielleicht würden sie ihn sogar finden. Ich aber wollte nicht nur diesen Mörder, sondern ich wollte auch den Auftrag des alten Herrn fein säuberlich erledigt wissen. Kurz und gut: es war mein Fall, und zuerst mußte ich wissen, was geschehen war. Nach mir konnte sich die Polizei damit befassen.
    Mit der Klinge meines Taschenmessers schob ich den Riegel des Fensterladens zurück. Das Fenster dahinter war offen. Ich leuchtete mit der Taschenlampe auf das Mädchen.
    Muriel neben mir stieß einen erstickten Schrei aus und krallte sich in meinen Arm.
    „Geh doch zum Wagen“, bat ich sie, „schau’ dir das nicht an. Es ist amüsanter, über Tote zu schreiben, als sie sich anzuschauen.“
    Sie schüttelte nur stumm den Kopf und starrte wie hypnotisiert auf das tote Mädchen.
    „Hat sie einen Staubsauger?“ fragte ich.
    Ich bekam keine Antwort und rüttelte Muriel ein wenig am Arm.
    „Sag’ Muriel — hat sie einen Staubsauger?“
    „Ich weiß — nicht — doch, ja, ja, sie hat einen. Wozu...“
    „Ich muß hinein“, sagte ich, „ich muß unbedingt hinein.
    Wer auch immer dieses Mädchen umgebracht hat, ist der Dieb der Hibiskusblüten, und er hat noch mehr auf dem Gewissen. Ich muß das herausbekommen, unter allen Umständen!“
    Sie versuchte, mich festzuhalten.
    „Du darfst das nicht! Du darfst nicht hinein, Allan. Die Polizei wird nach Spuren suchen. Laß doch alles, wie es ist. Komm mit — wir rufen sofort die Polizei an.“
    „Zu spät, Muriel“, murmelte ich, „zu spät. Ich bin kein dressierter Jagdhund, den man zurückpfeifen kann, wenn er dem Wild auf der noch warmen Fährte nachhetzt.

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