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Hibiskusblüten

Hibiskusblüten

Titel: Hibiskusblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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fuhren an Muriels Häuschen vorbei. Ich sah Oliver und ich sah Muriels Silhouette am Fenster, aber ich gab kein Zeichen; denn der Erfolg wäre nur gewesen, daß dieser rabiate Polizist auch noch Muriel verhaftet hätte.
    Er brachte mich hochbefriedigt zum Distriktsgefängnis, lieferte mich dort ein, wünschte mir grinsend eine gute Nacht und versicherte mir, daß diese seine Heldentat mir den elektrischen Stuhl, ihm hingegen die Wiederwahl zum Sheriff garantieren würde.
    „Wetten“, sagte ich, „daß Sie morgen früh ganz anders mit mir sprechen werden?“
    „Gut“, nickte er lachend, „wetten wir.“
    „Um wieviel, Sheriff?“
    Er überlegte einen Augenblick, dann sagte er grinsend: „Das können Sie morgen früh selbst bestimmen, es ist von vornherein von mir akzeptiert.“
    Er wandte sich an die beiden Polizisten im Wachlokal.
    „Paßt mir gut auf, Jungs, der Kerl schreckt vor nichts zurück.“
    „Schon gut, Sheriff“, sagten sie.
    Als er verschwunden war, räumten sie meine Taschen aus. Sie nahmen mir auch die Brieftasche weg.
    „Da drin“, sagte ich, „ist meine Lizenz. Ich bin Detektiv.“
    Sie warfen meine Brieftasche achtlos zu den anderen Sachen in eine Pappschachtel.
    „Schon gut“, sagte der eine, „wenn du sie zurückbekommst, kannst du dich damit irgendwo abwischen.“
    Sie brachten mich in eine solide Zelle, gaben mir zwei Decken und stellten mir einen Krug Wasser hinein. Die Fessel nahmen sie mir nicht ab.
    „Zu essen kriegst du nichts mehr“, sagte der Ältere, „weil du schon nach der Zeit eingeliefert worden bist.“
    Ich hörte sie den Riegel vorschieben, laut lachen und den Schlüssel zweimal im Schloß umdrehen.
    Ich zog meine Hosen aus, wickelte mich in eine Decke, rollte mir die andere unter den Kopf und hatte das Gefühl, noch nie in meinem Leben irgendwo so sicher aufgehoben gewesen zu sein wie hier.
    Das Rasseln der Schlüssel und der Lärm des zurückgeschobenen Riegels weckte mich auf. Das Licht in meiner Zelle ging an, und der ältere Polizist von heute nacht riß die Türe auf.
    „Verzeihung, Sir“, sagte er, „entschuldigen Sie vielmals, aber wir können nichts dafür. Wir haben nur den Anweisungen des Sheriffs Folge geleistet.“
    Ich war steif wie ein Holzklotz, und meine Handgelenke schmerzten. Der Polizist stürzte auf mich zu und nahm mir den Achter ab.
    Ich gähnte und sagte: „Das hättet ihr mir auch später sagen können. Müßt ihr mich dazu mitten in der Nacht aufwecken? Wieviel Uhr ist es denn?“
    Der jüngere Polizist hielt mir die Pappschachtel mit meinen Habseligkeiten hin, wobei sich auch meine Armbanduhr befand.
    Es war halb fünf, und nun sah ich oben, durch das vergitterte Zellenfenster, den hellen blaßgelben Morgenhimmel.
    „Verzeihung“, sagte der jüngere Polizist nun auch, „wir konnten das wirklich nicht...“
    „In Ordnung, Jungs“, sagte ich, „hätte ja auch anders sein können, und dann hättet ihr einen Orden bekommen. Wo ist denn der Sheriff?“
    Sie schauten sich an und versuchten ihr Grinsen zu unterdrücken.
    „Er ist — draußen, Sir, er wartet auf Sie.“
    Ich zog meine Hose an und ging mit ihnen hinaus. Im Wachlokal stand der junge Sheriff. Er sah übernächtig aus und drehte seine Mütze in den Händen, wie es Schauspieler tun, wenn sie Verlegenheit mimen wollen.
    „Guten Morgen, Sir“, sagte er mit gepreßter Stimme.
    „Gott zum Gruß, mein Lieber“, antwortete ich leutselig, „habe meine Wette gewonnen?“
    „Jawohl, Sir. Ich wollte...“
    „Ich weiß schon“, sagte ich, „Sie wollten einen Mörder fangen. Wie sagten Sie so schön? Ja — Sie hatten tatsächlich die Chance eins zu neunundneunzig, und ich kann Ihnen versichern, ich hatte oft noch viel geringere Chancen und hab’s auch riskiert. Es war Ihre Pflicht, diese Chance wahrzunehmen.“
    Er schnappte nach Luft und schaute mich überrascht an. Er erinnerte mich in diesem Augenblick sehr an John.
    „Sie nehmen’s mir nicht mehr übel, Mister Stretcher?“
    „Nein“, sagte ich, „das nicht, nur das mit meiner Visage.“
    Er wurde krebsrot, und ich fuhr fort: „Objektiv gesehen, mein Junge, hast du völlig recht: ich bin kein hübscher Bursche. Aber du bist alt genug, um zu wissen, daß man keinen Verbrecher nach seinem Gesicht beurteilen kann. Ich habe welche gesehen, die aussahen wie Engel und doch wahre Teufel gewesen sind. Los — kremple dir die Ärmel hoch.“
    Er schaute mich noch immer fragend an.
    „Die Ärmel...?“
    „Ja, los —

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