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Hier hat s mir schon immer gefallen

Titel: Hier hat s mir schon immer gefallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx Melanie Walz
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ihrer Hochzeit, als sie mit Mr. Antip Bewley Grundstücke besichtigt hatten. Sie hatten das Land gekauft und waren im Spätsommer auf Mr. Bewleys Einladung zu dem Great-Divide-Picknick wiedergekommen. Damals hatten sie in einer Pension in Craig gewohnt. Helen half Mrs. Ruffs, die Betten zu beziehen und für die Logiergäste zu kochen, und verdiente damit ein paar Dollar in der Woche. Mrs. Ruffs war Witwe und hatte nach dem Tod ihres Mannes sein Fuhrunternehmen weitergeführt, bis die sechs Pferde mit ihrem schweren Geschirr ihr zu anstrengend wurden. Sie hatte Unternehmen,Wagen und Pferde verkauft, in Craig ein Haus von passender Größe erworben und ein Schild aufgehängt, das besagte: PENSION RUFFS. Helen war die Arbeit verhasst, denn die Möbel und die Zwischenräume hinter den Tapeten waren verwanzt. Die Wanzen stanken wie ranziges Rinderfett. Hi war natürlich schon öfter draußen auf ihrem Grundstück gewesen, um es abzumessen und um zu entscheiden, wo Haus und Scheune stehen sollten, um die Ecken abzustecken und Zaunpfähle zu errichten. Pfosten konnte man allein einschlagen, aber um sie mit Draht zu verbinden, musste man zu zweit oder zu dritt sein.
     
    Nie würde sie den ersten Blick auf Mr. Antip Bewley vergessen, der Hi wie ein Riese überragte. Seine Hände waren so groß wie Abortdeckel. Gesichtshaut und Haar hatten die Farbe frischen Holzes, und sein Kopf sah aus, als hätte jemand einen Holzklotz von dreißig mal dreißig Zentimetern genommen und die Kanten weggeschmirgelt, so dass der Kiefer gerundet war, der Klotz jedoch erkennbar blieb. Zwei tiefe Grübchen furchten die Wangen. Doch wenn Bewley lächelte, erhellte sich seine Gesichtslandschaft, als wäre ein Blitz darüber gefahren, denn seine oberen und unteren Schneidezähne bestanden aus massivem Gold.
    »Nennen Sie mich Ant«, sagte er und bewegte His Hand wie einen Pumpenschwengel, bevor er sich höflich, aber spöttisch über Helens raue Bauernmädchenpfote beugte, als wolle er die Hand oder die Luft über ihr küssen. Sie fuhren zusammen in Mr. Bewleys Tourenwagen.
    Als Abonnent von The Great Divide wusste Hi einiges über den Herausgeber. Er hatte die Geschichten gelesen, in denen Bewley dafür plädierte, staatliches Land für Homestead-Siedlungen zu vergeben, um den großen Ranchern Paroli zu bieten, die er als »Weideschweine« bezeichnete. Auf dem Weg zu den abgesteckten Grundstücken schwärmte der große Mann davon, ungenutztes Weideland in glückliche Homestead-Parzellen umzuwandeln, die den »kleinen Leuten« eine Chance geben sollten. Helen saß zwischen den Männern und war sich der Körperwärme beider bewusst. Sie beschloss, auf der Rückfahrt hinten zu sitzen.
    Mr. Bewley sagte, dass er in Oklahoma aufgewachsen war, er erzählte von seiner Laufbahn als Berufsboxer, als Anwalt, als Goldsucher in Alaska, dass er aus Liebe zu seiner Ehefrau nach Oklahoma zurückgekehrt war, und die ganze Zeit redete er mit der gleichen höflichen und spöttischen Art, mit der er sich über Helens Hand gebeugt hatte, doch nun drückte er seinen Schenkel an ihren, als wären sie Komplizen. Sie rückte zu Hi.
    Er erzählte ihnen, wie er nach Denver gekommen war, um für The Great Divide zu schreiben. Er kannte und bewunderte Mr. Bonfils, einen der Verleger der Denver Post und einflussreicher Freund der »kleinen Leute«. Helen wünschte, er würde nicht dauernd die »kleinen Leute« im Mund führen. Sie fühlte sich von oben herab behandelt, denn sie und Hi gehörten zweifellos zur Klasse der armseligen Bauern. Außerdem fand Helen es ungerecht, dass normale Sterbliche wie beispielsweise Hi größte Schwierigkeiten hatten, eine Arbeit zu finden, während Mr. Antip Bewley schon so viele Tätigkeiten ausgeübt und aus freien Stücken aufgegeben hatte.
    Sie fuhren den ganzen Tag von Grundstück zu Grundstück; Ohrenlerchen liefen vor ihnen die Straße entlang und flogen erst im allerletzten Augenblick auf. Sie wanderten über Morgen flachen Landes, die für Helen alle gleich aussahen. Gegen drei Uhr nachmittags hielten sie an und machten im Schatten des Wagens Rast. Bewley nahm einen tropfenden Korb vom Rücksitz. In dem Korb befanden sich drei Äpfel, schmelzende Eisbrocken, sechs Flaschen Bier und zwei Flaschen Limonade. Bewley und Hi tranken jeder zwei Bier. Helen ging zu einer Böschung außer Sichtweite, um sich zu erleichtern, und als sie zurückkam, sah sie die zwei Männer in einem Höflichkeitsabstand von ein paar Metern zueinander das Gleiche

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