Hier hat s mir schon immer gefallen
und verschwand. Irgendetwas geschah. Catlin konnte nur winzige Flechten erkennen, durchsichtige Flechten, die auf dem Stein herumsprangen, auf ihren Handrücken, auf ihrem Kopf und ihren Armen. Sie öffnete den Mund, und die Flechten wurden zu Regen, der auf ihre geröstete Zunge fiel. Sogleich verspürte sie eine Woge von Dankbarkeit und Freude. Sie bog die Hände, um den Regen aufzufangen, doch sie waren zu steif. Der Regen lief an ihren Haaren hinunter, tropfte von ihrer Nasenspitze, durchweichte ihr Hemd, füllte die Vertiefung in der Felsoberfläche mit herrlichem Wasser, das sie nicht ganz erreichen konnte.
Sie trank den Regenschauer und spürte, wie Kraft und Vernunft zurückkamen. Als der Sturm weiterzog, war ihr Kopf klarer. Der harte blaue Himmel kehrte wieder, und die Sonne sog die Feuchtigkeit auf, als würde ein Gartenschlauch zusammengerollt. Es gelang Catlin, ihr Hemd auszuziehen und mit einer schwachen Bewegung zu der wassergefüllten Vertiefung in dem Stein einen Ärmel in das kostbare Nass zu werfen. Sie zog das Hemd heran und saugte die Flüssigkeit aus dem Ärmel und wiederholte das Ganze, bis sie alles Wasser getrunken hatte. In geringer Entfernung konnte sie einen kleinen Gebirgsbach durch die Steine rauschen hören. Ihr Geist war klar genug, sie erkennen zu lassen, dass der Regen nur einen Aufschub für eine der ewigen Wahrheiten bedeutet haben konnte. Sie sah weitere dräuende Gewitter im Osten, aber keines im Nordwesten, der vorrangigen Windrichtung. Der Meisenhäher war nicht zu sehen.
Sie hatte die Vertiefung mit ihrem Hemd leergewischt, und nun zog sie es wieder an, um sich vor der sengenden Sonne zu schützen. In dem Kiesboden war der Regen versickert. Sie konnte nichts tun, als die Augen vor der glitzernden Welt zusammenzukneifen. Alles ging wieder seinen Gang. Nach kaum einer Stunde kehrte der Durst, der vor dem Sturm abgeklungen war, verzehrend wieder. Ihr ganzer Körper, ihre Fingernägel, ihr Innenohr, die Spitzen ihres fettigen Haars, alles schrie nach Wasser. Sie starrte Löcher in den Himmel auf ihrer Suche nach Regenwolken.
Nachts narrten sie ferne Gewitter, aber es fiel kein Regen. Die Oberfläche des Felsens, der sie gefangen hielt, strahlte hell unter einem Splitter uralten Mondlichts.
Gegen Morgen war die kurzfristige Euphorie von Kraft und Klarheit geschwunden. Catlin war zumute, als schösse Strom durch den Felsen in ihren Körper wie tausend Nadeln, und die Betäubung, die darauf folgte, war beinahe eine Wohltat, obwohl sie undeutlich ahnte, was sie bedeutete. Erscheinungen kamen von den Schneefeldern weiter oben herbeigeflogen, Fontänen und Derwische, laufende Wasserhähne, ein Hubschrauber, der Wasser versprühte, eine Traube auffällig gekleideter Menschen, die bis zu ihr reichten und ihr die Hände entgegenstreckten. Den ganzen Tag blies ein heißer, trockener Wind, der sie schier blendete. Sie konnte die Augen nicht schließen. Die Sonne brannte erbarmungslos, und die Zunge hing ihr im Mund wie ein eiserner Glockenklöppel, der gegen ihre Zähne schlug. Hände und Arme waren zu schwarzgrauem Leder verdorrt, zu einer Art Flechte. In ihren Ohren summte und klapperte es, und ihr Hemd war wie aus steifem Metall, an dem ihre Eidechsenhaut sich wundrieb.
ImVerlauf der langen Bemühungen, sich aus ihrem schmerzenden Hemd zu befreien, hörte sie durch das Summen in ihren Ohren und durch das Knirschen ihrer berstenden Haut Marcs Stimme. Er kam mit seinen Nagelstiefeln hinter ihr den Weg herauf. Das bildete sie sich nicht ein. Sie strengte sich an, ihre Sinne zu schärfen, und hörte das Geräusch deutlich, das laute Klacken der Nagelstiefel auf dem Granitabschnitt des Wanderwegs. Sie wollte seinen Namen rufen, doch das Wort »Marc« wurde zu einem Röhren, das klang wie »Maaa …«, einem dumpfen, urzeitlichen und erschreckenden Ton. Er erschreckte die Ricke und die Hirschkälber, die ihr folgten, und alle miteinander rannten sie laut dröhnend den Weg hinunter, und ihre schwarzen Hufe klapperten auf dem Gestein, bis sie außer Sichtweite und außer Hörweite waren.
Bis zum Hals in der Patsche
Ihre Mutter war eine überwältigende Schönheit und eine Herumtreiberin gewesen, das wusste Dakotah, seit sie Wörter unterscheiden konnte. Es hieß, Shaina Lister mit ihren aquamarinblauen Augen und ihren Locken mit dem rotbraunen Glanz vonWasserbirkenrinde habe alle Kinderschönheitswettbewerbe gewonnen und sei danach die Highschoolschlampe geworden, die sich als
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