Hier hat s mir schon immer gefallen
Arbeiter verschwunden waren. Eine Zeitlang hatten die Ölfirmen die jungen Männer aus Wyoming magisch angezogen, denn sie zahlten Löhne, die kein Rancher bieten konnte, nicht einmal Wyatt Match, der reichste Rancher weit und breit. Als der Ölboom zusammenbrach, gab es noch immer keine Arbeiter. »Man sollte meinen«, sagte Verl, »dass es von Burschen wimmeln täte, die Arbeit suchen, jetzt, wo die Ölfirmen pleitegehen.« Aber nachdem die Arbeiter auf den Geschmack gekommen waren, Geld außerhalb der Landarbeit zu verdienen, waren sie dem Dollar aus Wyoming hinaus gefolgt.
Wyatt Match, dessen austerngleiche Augen hinter goldgeränderten Brillengläsern schwammen, die im Sonnenlicht dunkler wurden, hielt Verl für einen miserablen Rancher, nicht nur weil sein Land übergrast war, sondern weil die Zäune Lücken hatten, überall mit Kabelbindern geflickt waren, die Tore schief in nur einer Angel hingen, ausrangierte Maschinen auf den Weiden vor sich hin rosteten und weil den Küchentisch der Listers eine Plastiktischdecke mit Leonardo da Vincis Letztem Abendmahl zierte. In einem der Bewässerungsgräben steckte eine alte Limousine mit offener Kühlerhaube. Auf der Vorderveranda prangte ein defekter Elektroherd. Die Kühe der Listers waren überall unterwegs, hatten dauernd Unfälle, ertranken bei Frühjahrshochwasser im Bach und versanken in Schlammlöchern, die sich unversehens auftaten.
Der Frühling war die schlimmste Jahreszeit, wenn das Wetter zwischen Blizzards und Wüstenhitze changierte. An einem schneegepeitschten Abend, als Dakotah gerade den Tisch deckte, erzählte Verl, eine Kuh habe versucht, einen steilen, nassen Hang zu erklimmen, der unter ihren Hufen offenbar nachgegeben hatte, so dass sie auf dem Rücken im Graben gelandet war.
»Also, so was. Steckt diese blöde Kuh seit Tagen bis zum Hals in der Patsche. Und ich bin der glückliche Finder. Natürlich war sie mausetot«, sagte er in einem merkwürdig zufriedenen Ton; dabei schielte er durch seine farblosen Wimpern und zwinkerte mit den Augen, die so aquamarinblau waren wie die der widerspenstigen Shaina.
»Was hat denn das mit Glück zu tun?«, sagte Bonita nörgelnd. Sie zupfte einen losen Faden aus dem Saum ihrer pinkfarbenen Hose. Die Farbe war unpraktisch, aber Bonita war davon überzeugt, dass Pastellfarben Frische und Jugend herbeizauberten. Sie ging zum Spülbecken, wobei sie einen großen Schritt über Bum machte, Verls uralten Hütehund, den die Kühe zum Krüppel getreten hatten, und begann den einzigen Topf zu scheuern, in dem man eine anständige Portion Kartoffeln kochen konnte und der täglich mehrmals benutzt wurde.
»Ist nur eine Redensart.«
Das wäre sogar über ihren Horizont gegangen, wenn sie genug Zeit gehabt hätte, darüber nachzudenken. Bei Verl waren die Katastrophen vorprogrammiert. Er ging jeden Herbst in den Nationalpark, um Holz zu schneiden, und sie wusste, dass er sich eines Tages mit der klapperigen alten Kettensäge in Stücke schneiden würde. Fast hoffte sie es.
Für Verl Lister war alles vom Zufall bestimmt, aber glückliche Zufälle waren in seinem Leben die Ausnahme. Der heimliche Traum seiner Jugend war gewesen, ein charismatischer Radiosprecher zu werden, der sich mit singenden Persönlichkeiten unterhielt, Nachrichten verlas, Songs ankündigte, das Wetter schilderte. All das verdankte sich einem kleinen, billigen Radio, das er sich als Junge mit dem Verkauf von Rosebud-Heilsalbe erarbeitet hatte, mit der er auf einem betagten Gaul von Ranch zu Ranch zog. Nachts steckte er es unter die Bettdecke und stellte es ganz leise - nach neun Uhr war Radiohören verboten -, und dann lauschte er der Honigstimme Paul Kallingers von einem wattstarken Sender an der mexikanischen Grenze, der Reklame für den Club der einsamen Herzen, den Anpreisungen von Stärkungsmitteln und Heiltränken, jodelnden Cowboys und, als Jugendlicher, Wolfman Jack mit seinen anstößigen freizügigen Reden, seinem Keuchen und Geheul. Aber wie Wolfman Jack wollte er nie werden. Sein Idol war Kallinger.
Er hatte keine Ahnung, wie man es anstellen sollte, zum Radio zu kommen, wenn er es recht bedachte, und das Vorhaben verblasste, als er anfing, auf der Ranch zu Hause mitzuarbeiten. Zum Vergnügen ritt er Wildpferde ein, die Ursache seiner jetzigen Beschwerden. Das Radio in seinem Truck lief noch immer von morgens bis abends, und trotz des regional bedingten schlechten Empfangs hatte Verl in jedem Zimmer ein Radio. Meistens hörte er
Weitere Kostenlose Bücher